Anne Lorenz

In search of the perfectly unexceptional

19.1. —
11.3.2007

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Anne Lorenz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007
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Anne Lorenz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007
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Anne Lorenz, The beautiful game, 2005/2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007
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Anne Lorenz, The Birthday Present, 2005/2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007
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Anne Lorenz, If you draw a map.... (Detail), 2006/2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007
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Anne Lorenz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007

Das Kunsthaus Baselland zeigt die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin Anne Lorenz. Bekannt durch ihre performativen Installationen und öffentlichen Interventionen, setzt die Künstlerin die aus ihrer Arbeit beim Festival der Regionen 05 in Oberösterreich hervorgegangenen Objekte erstmals in einer Ausstellung im grossen Rahmen um.

Der rote Faden durch Lorenz‘ Arbeiten ist das anhaltende Interesse am Einfluss von individuellem Verhalten auf die Psyche. Auf der einen Seite findet dies Ausdruck in ihren Untersuchungen zu Körpersprache, Bewegungsabläufen und non verbaler Kommunikation; auf der anderen Seite in manuell bearbeiteten Alltagsobjekten, die oftmals als Serie entstehen und auf obsessives Verhalten hinweisen. Beide Aspekte, sowohl der menschliche als auch der dinghafte, reflektieren den Status unserer Gesellschaft und das Paradox, Wiederholung und Objekte als Ersatzbefriedigung für mangelnde Stabilität einzusetzen.

Für ihr Projekt Auf dem Hinweg, entwickelt für das Festival der Regionen 05, setzte sie sich über den Zeitraum von einem Jahr mit 140 BewohnerInnen der Ortsgemeinde Aigen, ihren Gewohnheiten, Alltagsabläufen und geordneten Verhältnissen auseinander. Die auf Video festgehaltenen Interventionen und im Verlauf des Projektes entstandenen Objekte werden im Kunsthaus Baselland mittels des Formats ‹Ausstellung› in eine Gesamtpräsentation überführt. Anne Lorenz basiert ihre performativen Interventionen auf Alltagsbeobachtungen und findet in den wiederkehrenden Abläufen Elemente, welche in stilisierter Form die ursprünglichen Alltagserfahrungen zu etwas Besonderem machen.

Ein weiterer Schwerpunkt innerhalb des Gesamtprojektes der Künstlerin basiert auf der Fragestellung nach dem Zeitvertreib der OrtsbewohnerInnen. Viele pflegen zeitintensive Hobbys, die oftmals einen höheren Stellenwert im Leben jener Menschen einnehmen als ihre Berufe. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten der Menschen trat auch der Unterschied zwischen dem Kunstmachen und Hobbys zutage. Anne Lorenz legt in ihrer Ausstellung daher ein spezifisches Augenmerk auf eine handgemachte Komponente im Sinne einer Hommage an das Alltägliche und seine in der Wiederholung liegende Perfektion. The beautiful game entstand als Zusammenarbeit mit Goldstickerinnen, die jeweils in ihrem persönlichen Stickstil die Nummern auf Fussballhemden applizierten. Die Mitglieder des lokalen Fussballclubs trugen jene Hemden bei einer choreographierten Bewegungsabfolge, die an das routinemässige Aufwärmtraining der Fussballer erinnert, aber auch davon abweicht. Der persönliche Stickstil der Frauen lässt auf ihre Charaktere schliessen, somit fungiert jedes Hemd auch als abstrahiertes Porträt der Stickerin.

Auch in Bestsellers und Top 20 werden Objekte als Porträts eingesetzt. The birthday present greift einen Brauch der Aigener Bevölkerung auf, sich gegenseitig zum Geburtstag Bier zu schenken versehen mit Fotos des Jubilars auf den Bierflaschen von dessen Kindheit bis zur Gegenwart. Lorenz hat für ihr Geburtstagsgeschenk Porträts der Dorfbewohner gemacht in möglichst neutralem Setting und lenkt somit den Fokus auf Geschlecht und Alter. Sie lädt die Besucher ein, die anonymen Gesichter zu studieren und Quervergleiche herzustellen. Aus eben jenen Porträts entstand auch die Arbeit If you draw a map of everywhere you have ever been, they say you draw your face. Die 120 gemalten Porträts der Dorfbewohner entstanden vor Kurzem, als Lorenz die Fotos ihrer Laiendarsteller wieder hervorholte und malte, was die Zeit in ihrer Erinnerung von den Gesichtern noch nicht weggefressen hatte. Lorenz beschreibt die Videoarbeit Loops folgendermassen: «Unsere Gewohnheiten haben durch ihre vielen Wiederholungen etwas Perfektes. Man kann sie abspulen ohne zu denken, ohne sich anzustrengen; je länger wir Gewohnheiten praktizieren, desto reibungsloser laufen sie ab. Zum Beispiel das Einkaufen mit kleinen Kindern: Jeder Handgriff der Mutter sitzt, sie weiss genau, wie sie das Kind in den Wagen setzen muss, wie lange sie vor welchem Regal ausharren darf, damit sie möglichst ohne Kindergeschrei den Supermarkt wieder verlassen kann. Diese Abläufe habe ich in den Video-Loops durch einstudierte Choreografien festgehalten. Die Übergänge von einem Ablauf zum nächsten sind zum Teil so unmerklich gestaltet, dass der Betrachter annehmen kann, die Person mache die Aktion tatsächlich in nicht enden wollender Wiederholung». Wiederholung steht in diesem Sinne mal für Erleichterung im Alltag, mal für krankhaftes Festhalten an Bekanntem.
Text von Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl