Regionale 13

No man is an island

25.11.2012 —
6.1.2013

«No man is an island, entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the main. If a clod be washed away by the sea, Europe is the less, as well as if a promontory were, as well as if a manor of thy friend's or of thine own were. Any man's death diminishes me because I am involved in mankind; and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee.» (John Donne, Devotions Upon Emergent Occasions: Meditation XVII., 1624, zitiert aus The Works of John Donne, vol III, Henry Alford (Ed.), John W. Parker: London, 1839, p. 574—5)

«Niemand ist eine Insel» — dieser vielzitierte Satz des englischen Schriftstellers John Donne dient als Ausgangspunkt für die diesjährige Regionale im Kunsthaus Baselland mit dem Fokus auf ein junges Kunstschaffen aus der Region. Sabine Schaschl, Direktorin und Kuratorin hat das Konzept und die Durchführung der Ausstellung gemeinsam mit der Kunsthistorikerin, Vermittlerin und Dozentin Martina Siegwolf entwickelt und kuratiert. Siegwolf ist mit der Regionale seit ihren Anfängen vertraut und war unter anderem mitbeteiligt an der ersten Regionale. Dieses Jahr haben Sabine Schaschl und Martina Siegwolf über ein Dutzend KünstlerInnen aus der Region Basel direkt eingeladen, ergänzt von einigen Künstlerpositionen, die aus den eingereichten Dossiers ausgewählt worden sind.

Zu den berühmtesten, populärkulturellen Rezitation von «no man is an island» zählen die gleichnamigen Buchtitel von Johannes Mario Simmel und Thomas Merton. Donne beschreibt wie jeder Mensch Teil eines Ganzen ist und vergleicht das Weggespült-Werden eines Erdklumpen mit dem Verlust eines Menschen. Von diesem frühen Netzwerk-Gedanken ausgehend, beschäftigt sich die Ausstellung im Kunsthaus Baselland mit der Fragestellung nach der Arbeitsweise einer jungen Generation von Künstlern, die im Zeitalter von Social Media und globaler Vernetzung in einem omnipräsenten Kommunikations- und Austauschgefüge stehen. Grundsätzlich kann diesem Gefüge entsprochen werden, indem man selbst Teil des Netzwerkes wird oder man kann der Kommunikations-Allgegenwärtigkeit durch einen Rückzug auf die ‹eigene Insel› entfliehen. Doch auch letzteres ist durch die Mitnahme eines so genannten Netzwerkes im Geiste geprägt.

Die Ausstellung vereint künstlerische Positionen, deren Arbeitsweise durch direkte oder indirekte Kollaborationen charakterisiert oder schlichtweg in einem losen Austausch mit Künstlerkollegen entstanden sind. Die Künstlerin Clare Kenny beispielsweise ist immer wieder kuratorisch tätig und vergleicht diese Tätigkeit mit der Produktion eines «neuen Materials», das sie wiederum in ihrer künstlerischen Tätigkeit einsetzt. Die Künstlerin Sarah Bernauer hat für die Regionale in Zusammenarbeit mit der Kunsthistorikerin Franzika Glozer das mediale Grossprojekt A Word for Play konzipiert, ein Sprachstück in 5 Akten, das sich wiederum mit den Regionale-Kollaborationspartnern FABRIKculture, Hegenheim und LA KUNSTHALLE, Mulhouse vernetzt. Lorenza Diaz, die in Basel studiert hat und jetzt in Leipzig wohnt, konzipiert und betreut mit sieben weiteren Künstler-KollegInnen Ausstellungen in- und ausserhalb Leipzigs. Bianca Hildenbrand, die u.a. den artist run space deux pieces in Basel mitbetreut, hat in ihrer Audio-Installation eine dreitägige Diskussionsrunde zwischen KünstlerInnen aus dem Kreise der Abstrakten Expressionisten zum Ausgangspunkt einer Neufassung genommen. So wie sie greifen v.a. Künstler einer jungen Generation auf historische Avantgarden und kunsthistorische Vorbilder zurück, die in ihren eigenen Werken ihren Wiederhall finden.

Im Sinne einer gegenwärtigen netzwerkartigen Arbeitsweise von Künstlern und Kuratoren wurde ebenso die Kuratorin Sophie Kauffenstein aus Strassburg eingeladen, einige Videoarbeiten französischer KünstlerInnen auszuwählen. Eine weitere Vernetzung findet auch dahingehend statt, dass Martina Siegwolf ein Vermittlungsprojekt mit Studierenden der HGK, Lehrberufe für Gestaltung und Kunst entwickelte. Niemand und jeder ist eine Insel, müsste die Schlussfolgerung lauten — das Kunstschaffen heute (und nicht nur dieses) braucht sowohl den Austausch mit der globalen Insel als auch den Rückzug auf die eigene Insel. Die Ausstellung im Kunsthaus Baselland führt dies exemplarisch vor Augen.

KuratorIn: Sabine Schaschl und Martina Siegwolf, Dozentin am Institut Lehrberufe für Gestaltung, Hochschule der Künste Basel

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Marie-Anne Baccichet, La Boum, 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Installation La Boum (2012) von Marie-Anne Baccichet inszeniert mit einfachen Mitteln eine Atmosphäre der Nostalgie. An der Decke des dunklen Raumes ist eine von zwei Lampen beschienene schlaff herunterhängende Kugel befestigt. In langsamer Umdrehung wirft diese spotartig Lichtspuren an die Wände, die durch die Bewegung und Reflektion der Lichter auf den Spiegelplättchen den realen Raum aufzulösen scheinen. Wie im Traum werden wir an einen anderen Ort geführt, der nicht oder nicht mehr existiert. Der Titel La Boum — die Fete spielt mit diesem Moment des Vergangenen. Die Party ist vorbei, die Musik ist verklungen, und die Menschen sind gegangen. Ein weiterer Bezug kann auch der in den 80er-Jahren sehr erfolgreiche französische Kultfilm La Boum sein, der einfühlsam die Irrungen und Wirrungen der Pubertät behandelte und für eine ganze Teenager Generation Kult war. Auch in den Zeichnungen von Marie-Anne Baccichet spielen diese fragilen Momente ein grosse Rolle. In den Serie der Bigoudi (2011) oder Barba Papa (2012) beispielsweise spinnt sie die narrativen Fäden der Protagonisten mit ihren Stiften weiter und gibt ihren Geschöpfen eine neue Bildexistenz.

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Sarah Bernauer und Franziska Glozer, A Work for a Play, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Künstlerin Sarah Bernauer und die Kuratorin Franziska Glozer entwickelten für das Kunsthaus Baselland A Work of Play, eine sich beständig erweiternde Inszenierung von Sprache. Die der Aufführung vorangegangene Einladung an die Künstler bat um Sprachakte in Form von Audiostücken. In den bis anhin 90 lokalen und internationalen Beiträgen erklingt die Sprache nach dem Prinzip eines orchestrierten Kontrollverlusts vielstimmig, irisierend zwischen Spiel, Auflösung und Neuschöpfung. Die Soloszenen-Kabine, ein in die Installation integriertes Aufnahmestudio, bietet den Besuchern der Ausstellung die Möglichkeit, vor Ort ihr eigenes Stück zur Sprache einzusprechen. Während der Ausstellungszeit begleiten fünf Live-Akte mit Performances, Audioproduktionen, Sounds, Gesprächen und Lectures die Soundinstallation im Kunsthaus Baselland. Jede Veranstaltung wird von einem anderen Regisseur inszeniert und lädt zu unterschiedlichen Wegen in die Sprachwelt. Mehr Informationen: awordforaplay.le-desir.org

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Jan Kiefer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Es sind Fotos seines Jugendzimmers der späten 90er-Jahre, welche Jan Kiefer in seiner Installation zeigt. Die 80er- und 90er-Jahre waren die Zeit der Punkkultur und des Widerstandes was sich im Kleinen auch an der Zimmerwand des Künstlers abzeichnet. Zum Symbol der Rockszene dieser Zeit wurde die Fender Stratocaster, die auch heute noch die meist verkaufte Gitarre der Welt ist. Nach Originalplänen der Fender Stratocaster hat Kiefer die Konstruktionszeichnung um ein Drittel gestaucht. Das so entstandene Modell wurde direkt aus einem Stamm gesägt. Gestützt wird die Gitarre von einem kleinen Alf aus dem Besitz des Künstlers. Alf, ein Ausserirdischer der versehentlich auf der Erde landete, ist eine Phantasiefigur der 80er-Jahre. Bekannt wurde er für seine etwas naive und sympathisch anarchische Art, mit der er den Alltag seiner ‹Pflegefamilie› störte und gleichzeitig belebte. Komplettiert wird die Installation mit mehreren Objekten, die basierend auf Frottee-Stirnbändern, aus einer massiven Granitplatte geschnitten und anschliessend farbig lasiert wurden.

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Ralph Bürgin, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Malereien von Ralph Bürgin, wie sie im Kunsthaus Baselland ausgestellt sind, bilden mit den Räumen eine eigene Erzählung. Sie sind als Leinwände sowohl Träger seiner Bildwelten als auch objekthafte Protagonisten im Raum. «Bürgins intuitiver Arbeitsprozess steht für jenes Moment der Figürlichkeit, welches sich aus der abstrakt expressiven Malweise herausbildet und sich schliesslich wieder in ihr verliert» (Lorenz Wiederkehr). Dabei stand anfänglich die Frage der Entwicklung der Figur im Zentrum seines Schaffens und inzwischen ist es deren Reduktion. Mit seinen Arbeiten erlebt er einen Nahkampf auf der Suche nach Lebendigkeit, Leidenschaft und Emotionalität. Er geht an die Grenzen dessen, was die Bilder überhaupt aushalten können und so weit, bis nach längerem Prozess die Figur sich abmeldet und selbständig wird. Unfassbare, unsichere Existenzen entstehen, die manchmal brutal, aufdringlich aber auch grotesk erscheinen. Gespannte Haut, unter der es von Emotionen nur so brodelt. «Ralph Bürgin vertraut ganz den Wirkungen der Farben und verleiht ihnen durch die unabschliessbaren Prozesse ihres Entstehens und Vergehens die Möglichkeit einige unserer scheinbar erloschenen Urbilder und Sehnsüchte zu berühren» (Markus Stegmann).

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Martin Chramosta, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

«Ich habe mich entschieden, für die Ausstellung No Man is an Island Werke zu zeigen, welche im Verlaufe dieses Jahres entstanden sind. Die meisten wurzeln in meiner Atelierzeit in Montréal, wo ich die erste Jahreshälfte als iaab-Stipendiant verbrachte. Allen gezeigten Werken gemein ist eine gewisse Form von oder Funktion als ‹Patina›, ein Interesse an Geschichtlichkeit. Offensichtlich tritt diese Antikisierung bei den Alten Böcken in Erscheinung, wo tatsächlich altes Material als Baustoff verwendet wird. Die Böcke als dysfunktionale Gebrauchsgegenstände fragen auch nach der Funktion des Kunstwerkes. Die Kreuze wiederum evozieren das Gefühl von etwas Historischem, erinnern vielleicht an Kunst des anbrechenden 20. Jahrhunderts und sind in einer mönchischen Weise (will heissen akribisch) von Hand gezeichnet. Es haftet ihnen, so denke ich, eine Ahnung an, eine religiöse, spirituelle, aber auch durchaus eine politische. Die ‹Patina› kommt auch als von Wind und Wetter gezeichnete Wand vor im Video Gegen die Wand. Das Politische setzt sich hier fort, als ein ‹Windmühlenkampf›, aber auch Zermürbungspiel. Die Wand, ‹the Wall›, ist ja schon eine Allegorie für etwas Unnachgiebiges, für System vielleicht und wird hier mit einem Schnee-Action Painiting-Sperrfeuer eingedeckt. Die ‹Tropfsteine› zum Schluss sind eine Art ‹Patina› in Funktion. Sie überziehen Architektur oder Design, aber mit einer sehr glänzenden Oberfläche» (Martin Chramosta).

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Lorenza Diaz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

«Mein Interesse gilt nicht dem Beständigen und Kontinuierlichen, sondern dem Vergänglichen und Veränderlichen, der Landschaft, als ein sich stetig wandelnder Ort mit all seinen Spuren und der ihr innewohnenden Zeit. Menschenleer, wie im passiven Verfall und in aktiver Dekonstruktion begriffen, entstehen Szenarien auf meinen Bildern, die an früheres Dasein von Zivilisation erinnern. Es sind Bruchstücke aus vergangener Zeit, jedoch sind diese verbliebenen Bruchstücke auch mögliches Ausgangsmaterial neuer Bauten. Zwischen Verfall und Aufbau, Sichtbarem und Unsichtbarem, Schärfe und Unschärfe, Idylle und Abgrund entstehen Hinterlassenschaften, die von niemandem hinterlassen wurden. Es sind Landschaften, die aus meiner Fantasie oder Erinnerung entsprungen sind, die real vielleicht nur in ihren Umrissen existieren» (Lorenza Diaz). Lorenza Diaz versucht in ihrer Malerei gängige Vorstellungen von Landschaft, die im kulturellen Gedächtnis tief verankert sind, zu entleeren und sie in ein trügerisches Licht zu rücken. Die Landschaften in ihren Bildern entfalten sich langsam vor dem Auge des Betrachters und gleichen in ihrer Mystik eher einem Hauch oder einer Ahnung, die kaum entstanden schon wieder bereit ist, sich zu verflüchtigen. Auf der Gratwanderung zwischen Konstruktion und Destruktion lässt sie mittels verschiedener Techniken wie Wegradieren oder -kratzen, Abwaschen und Übermalen entlegene, unfassbare Fantasiegespinste oder Erinnerungsfragmente entstehen.

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Jan Erbelding, Untitled, 2011, 2 x Canon AE-1 & 50mm 1:1.8, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Zu Jan Erbeldings Arbeit von hier aus gesehen oben rechts, 2012, Klebestreifen auf Wand: «Als Senkrechte gliedert der Streifen die Wand, dessen Auftrag er ist, zu beiden Seiten in zwei auseinander triftende Flächen. Die Rhythmisierung wird jäh durchbrochen durch die Eigenschaft des Streifens selbst, der entgegen einer Ecke, Kante oder Säule indifferent, luzid bleibt. Die Transparenz ermöglicht eine Rahmung der Wand in Gänze wie auch der Fläche, dessen Schutz, Membran der Klebestreifen ist und welche er enthüllt, indem er sie überdeckt. So ergibt sich ein Wechselspiel aus Formgebung und Freigebung der Fläche Wand, durch das Vexierbild von Strich und/oder Fläche Klebeband. Der Betrachter erfährt die Arbeit nicht nur aufgrund der Eigenschaft durchsichtig zu sein, auftauchend und verschwindend, sondern durch die, je nach Position, wechselnde Spiegelung des Lichteinfalls, welcher den Tesafilm in Teilen im Gesichtsfeld des Betrachters unsichtbar werden lässt oder als reinweiße Fläche präsentiert. Der dezente, bewusst geführte Eingriff des Künstlers in den Raum als negativen Körper, muss sich gegen vielerlei Objekte künstlerischer oder profaner Art behaupten; gelingen kann dies nur, wenn der Blick des Werkes selbst vom Betrachter zurückgeworfen wird. Das Material selbst hat neben seinen den Raum und die Wahrnehmung affizierenden Eigenschaften, Inhaltliche welche dem Werk innewohnen. Tesafilm ist keinesfalls so durchlässig, und leer wie er augenscheinlich vorgibt. Tatsächlich ist es möglich ihn als Datenträger zu verwenden. Dieses Speicherpotenzial von Information besitzt eine anthropologische Entsprechung in der Erfahrung im Umgang des Menschen mit Klebestreifen. Beim Abziehen und Aufkleben passiert es häufig, dass am Klebefilm Fingerabdrücke sichtbar und fixiert werden. Übertragen auf das Werk ist damit im Falle des Ablösens von der Wand ein ‹Fingerabdruck› derselbe in den Klebstreifen eingeschrieben. Die Oberfläche der Wand und die Unterseite des Klebestreifens bilden im Moment eine verwoben Einheit, im Falle der Trennung wird etwas von ihr im Anderen zurückbleiben» (Felix Mittelberger).

Die zweite Arbeit, welche von Jan Erbelding im Kunsthaus Baselland zu sehen ist, trägt den Titel Untitled. Die 2011 entstandene Arbeit besteht aus 2 x Canon AE-1 & 50mm 1:1.8.

Gatinois Delphine 2012 1
Delphine Gatinois, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Die fotografischen Arbeiten von Delphine Gatinois rühren in verschiedenster Weise an Momente des Fremden. Es sind inszenierte Situationen und Bilder, die ein Spannungsfeld eröffnen zwischen Realem und Fiktivem, indem sie den Betrachter mit einer fremdartigen Szenerie konfrontieren. Aufgenommen in Bamako (Mali), erzählen die Fotos eine rätselhafte Geschichte, deren Inhalt lokale mythische Elemente mit dokumentarischen verbindet. Es sind Bildgeschichten, die sich aus gehörten Erzählungen speisen, jedoch eigene Interpretationen und phantastische Bezüge zulassen.

Hildenbrand Bianca G 2012 1
Bianca Hildebrand, Conversation I—III, 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Conversation I—III von Bianca Hildebrand ist eine Audio Installation, die das Transkript Artists' Sessions at Studio 35 (1950), eine dreitägige Diskussionsrunde zwischen KünstlerInnen aus dem Kreise der Abstrakten Expressionisten, als Ausgangsbasis für ein neue Fassung nimmt. Die Sessions von damals sind mit jungen KunststudentenInnen, die die Rolle der damaligen KünstlerInnen übernehmen plus die Künstlerin selbst als Person, neu aufgezeichnet worden. Die verschiedenen Gespräche sind in isolierten Statements auf vier Lautsprechern wiedergegeben, teilweise auseinander gerissen und wiederholt. Die Statements beziehen sich auf Themen, auf die bis heute keine klaren Antworten gibt: Die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft und seine Community, die Frage nach der Motivation und Ängsten, sowie der Kulturunterschied zwischen Europa und Amerika. Die im Kreise aufgeworfenen Fragen und Meinungen sind historisch autonom und suchen den Bezug zur Gegenwart. Drei Zeichnungen stehen analog zum Verlauf der Diskussionsrunde von 1950, die in New York stattgefunden hat. Die Linien repräsentieren den Gesprächsverlauf unter den 22 teilnehmenden KünstlerInnen. Jede Aussage ist als eine Linie wiedergegeben. Eine Zeichnung pro Tag plus die Namensliste geben ausserdem Auskunft über die originale Platzanordnung.

Kenny Clare G 2012 1
Clare Kenny, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Clare Kenny arbeitet mit einer Vielzahl von Materialien. Nebst Baumaterialien oder einfachen, oft gefundenen Objekten und Elementen ist es die Fotografie, die einen Kernpunkt bildet. Kenny zersetzt ein ausgewähltes fotografisches Bild, faltet oder locht es für jede Ausstellungspräsentation erneut, oder überführt es in eine skulpturale Präsentation. Die Installation im Kunsthaus Baselland kommt ohne Fotografie aus und konzentriert sich auf eine skulpturale Inszenierung. Eine Vielzahl von Gipsabgüssen vom Inneren von Plastikkübeln bilden säulenartige Fragmente. Die massiven, teilweise eingefärbten Gipsteile tragen noch Spuren ihres formgebenden Materials. So sind Spuren oder Überreste von einstigen Inhaltsstoffen in die skulpturalen Formen übergegangen — sozusagen als letztes Zitat einer materiellen Erzählung. Mit ihren Skulpturen rührt Kenny an unsere eigenen Erinnerungen vom Sandburgen bauen. Topf über Topf, Behälter über Behälter und schon war ein ephemeres Objekt fertig, bis das Meer oder der Wind sich die ursprünglichste aller Skulpturen wieder zurückholte. Kennys Skulpturen sind von beständigerer Erscheinung und übereinander aufgestapelt erinnern sie an Brancusis Unendliche Säule. Kennys Arbeiten sind in ihrer persönlichen Identität und Geschichte verwurzelt und beinhalten dennoch universelle Aussagen. Sie erzählen von Erinnerung, Alltag, Sehnsucht. In einer einfachen und bestechenden Weise ziehen sie jedoch auch eine Verbindung zur Kunstgeschichte und zum Kunst-Machen generell.

Minder Oliver G 2012 1
Oliver Minder, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

In seinen vier Bildern verbindet Oliver Minder Natürlichkeit mit Künstlichkeit. Es entsteht eine Disharmonie, die eine trügerische Ästhetik mit hervorruft. Mit dem Einsatz von giftigem Polyesterharz kann Minder die Naturmaterialien dem Betrachter zwar in ihrer natürlichen Schönheit zeigen, gleichzeitig nimmt er ihnen aber mit dieser Art von Konservierung jedes Leben. Sepia-Tinte beispielsweise wird von Tintenfischen bei Gefahr ausgestossen. Im Wasser löst sich die dunkle Wolke rasch auf. Von dieser Flüchtigkeit ist in Oliver Minders Werk nichts mehr zu sehen. In Verbindung mit dem Polyesterharz ergibt sich etwas Neues, etwas, was über die Gegenüberstellung der beiden Materialien hinausgeht. In einem zweiten Bild hat Minder Erde mit dem Harz gemischt. Wer genau hinschaut, sieht neben Humus und Laubblättern auch Falter und Käfer. In den beiden anderen Bildern hat sich der Künstler Bienenwaben und Kohle als natürliches Material bedient. Beides Materialien, die eine lange Kulturgeschichte vorzuweisen haben, und die genau zu Minders Fragen passen — Fragen nach Ästhetik und Künstlichkeit und nach den Folgen des Eingriffs des Menschen in die Natur.

Mundwiler Sebastian G 2012 1
Sebastian Mundwiler, Moebius Metro, 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Sebastian Mundwiler setzt sich in seiner installativen Videoarbeit mit der Möbiusschleife auseinander und übersetzt diese in den Video Loop Moebius Metro. Dieses viel zitierte Phänomen entsteht, wenn man einen Streifen entlang der Längsachse um 180 Grad dreht und die beiden Enden miteinander zusammenfügt. Oben und Unten, wie auch Aussen und Innen werden durch dieses künstlerische Verfahren in ein unendliches Spiel und eine nie endende Fahrt miteinander verbunden. Mitten im dunklen Raum befindet sich ein mit Projektionsfolie bespannter Paravent, dessen drei Flächen von zwei Seiten bespielt werden. Die Betrachtenden werfen abwechselnd Schatten auf die Projektionen, die beidseitig sichtbar sind, und werden somit Teil der rund herum begehbaren Installation. Das Video zeigt eine kalte, stimmungsvolle Landschaft mit einer Brücke in Helsinki. Die Dunkelheit der Nacht wird nur durch das warme Licht der vorbeifahrenden Metro durchbrochen. Die Projektion irritiert die Wahrnehmung der Betrachtenden durch horizontale und vertikale Spiegelungen. Diese führen zur anfänglichen Orientierungslosigkeit, in der Oben und Unten, Links und Rechts aufgelöst werden.

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Bianca Pedrina, White Sharks, 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Mit ihrer installativen Arbeit Landowski (2012) spielt Bianca Pedrina mit der Wahrnehmung von Bild und Raum, sowie mit der physischen Präsenz von Objekt und Betrachter. Während ihres Aufenthalts in Paris begegnete Bianca Pedrina regelmässig Sainte Geneviève, Schutzpatronin von Paris, des Bildhauers Paul Landowski. An der Regionale 13 im Kunsthaus Baselland zeigt sie ein fotografisches Bild der Rückseite des Sockels dieser Statue. Als Träger der Fotografie dient eine Kunststoffplatte, welche zwischen zwei Stahlträgern eingespannt ist. Mit der Wölbung nach hinten und den zwei seitlichen Streben entsteht eine perspektivische Ansicht, welche mit der Decke des Raumes eine direkte Verbindung eingeht. Indem Bianca Pedrina die Rückseite einer Statue, von unten nach oben fotografiert, verfremdet, verschiebt sich die Betrachterperspektive auf Augenhöhe. Die Arbeit White Sharks (2012) zeigt drei Fotografien von Balkonuntersichten, die auf Sockel aufgezogen sind. Wie Rückenflossen von weissen Haien, stechen die hellen Felder aus dem Schwarz hervor. Unter den hellen Flächen zeichnen sich die Sockel ab, während die schwarzen Bereiche schlaff hinunter hängen und so in den Raum greifen. Wie die auftauchende Rückenflosse des Hais unter der Wasseroberfläche, deuten die Bilder Räume an, wo keine sind.

Reinau Philipp G 2012 1
Philipp Reinau, Nachhall, 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Philipp Reinau setzt sich in der Arbeit Nachhall, 2012, mit der ortsspezifischen Geschichte des «Joggeli» auseinander, wo sich das Kunsthaus Baselland befindet. An der Vernissage nehmen in historischen Uniformen gekleidete Soldaten im Eingangsbereich Stellungen ein. Die Relikte dieser einmaligen Performance werden mittels der zurückgebliebenen historischen Waffen repräsentiert, die während der ganzen Ausstellungsdauer im Eingangsbereich an der Wand befestigt sind. Mit Nachhall übersetzt Reinau, sowohl performativ als auch installativ, eine historisch konfliktreiche Begebenheit in die Gegenwart, welche die historischen Spuren bis heute in sich trägt.

Ritzmann Marion G 2012 2
Marion Ritzmann, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Arbeiten von Marion Ritzman an der Regionale 13 handeln von Momenten und Interaktionen dazwischen. In ihren Aktionen verschieben sich Momente der Produktion und Rezeption, indem die Aktion selbst die Produktion wiedergibt, respektive rezipiert. Bei der Arbeit Round about machine zeigt sich dies, indem ein montierter Bleistift eine Spur hinterlässt, die auf der anderen Seite, mit einem elektrischen Radiergummi unmittelbar wieder ausradiert wird. Das in einen Zylinder gespannte, rundherum reichende Blatt Papier wird mittels eines kinetischen Mechanismus' gleichzeitig zu Verbindung, Träger und eigentlichem Akteur. Durch die langsame Drehbewegung verstärkt sich die Frage: Wer oder was zeichnet hier alles mit? Wo hört die Zeichnung auf, wo fängt sie an? Die eigentliche Handlung der Arbeit Round about machine scheint sinnlos, denkt man einzig an die ununterbrochene Entstehung einer Linie, die sogleich wieder ausradiert wird. Das Regelwerk kann jedoch Veränderungen herbeiführen, und jede Zeichnung, die durch die Interaktion zwischen Stift und Radiergummi entsteht, hinterlässt ihre Einzigartigkeit. Die Eigenschaften von Stift, Papier und Radiergummi fokussieren in der Arbeit 80 colour Pencils auf Anwendung, Nutzen bzw. Abnutzen. Die in Reih und Glied auf die Wand montierten 80 Farbstiften lassen aufgrund ihrer unterschiedlichen Länge Rückschlüsse auf die unterschiedliche Handhabung zu. Gleichzeitig verweisen sie auf die 80 A4 Blätter, welche sich in ihrer unterschiedlichen Bearbeitung, Druckstärke und Strichlänge unterscheiden. Dabei verweisen sie wiederum auf den Gebrauch der Stifte. Die Publikation in Heftform, in welchem alle Blätter neben- und hintereinander zu sehen sind, zeigt den eigentlichen Reiz der Arbeit; die Transformation eines Ausgangsobjekts. In diesem Fall, einer 80er Farbstiftschachtel.

Senn Tom G 2012 1
Tom Senn, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

Tom Senn bezeichnet sich als Maler ‹klassischer› Herkunft und setzt seine ‹Bilder› installativ in den Raum. Allerdings malt er nicht mit Farben und Pinsel auf eine Leinwand, sondern übersetzt die Malerei in den realen Raum. Senn stellte den illusionistischen Raum im zweidimensionalen Bild in Frage und löste sich allmählich vom herkömmlichen Bildträger. Dennoch prägt die Malerei sein künstlerisches Schaffen und Denken. Im Vorfeld der Ausstellung No man is an island stellt Senn sich eine Farbpalette aus gefundenen Objekten zusammen, die er dann ortsspezifisch in Szene setzt. Senn sieht sich als Sammler und Übersetzer. In seinen Arbeiten spielen Gegensätze, Paraphrasen und Transfers eine wichtige Rolle. Dabei wird der Künstler selbst zum Pinsel, seine Fundgegenstände zur Farbe und der Raum zum Bildträger.

Stieger Valentina G 2012 1
Valentina Stieger, Wallpaper (Hommage to John Allen), 2012, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

«Der konzeptuelle Background von Wallpaper (Hommage to John Allen) liegt in meiner generellen Auseinandersetzung mit Malerei. Dabei mache ich mir immer wieder Überlegungen zum Stellenwert von Malerei. Diese verkommt ja ganz oft zu einem dekorativen Element, zur Vervollständigung eines Interieurs, zur Zierde einer Wand, manchmal allein, manchmal zu vielen… Auf einer anderen Ebene interessiert mich natürlich auch eines der klassischen Themen der Malerei: Vordergrund vs. Hintergrund. Diese Situation finde ich bei Patterns, bei Mustern wieder, diese changieren zwischen den Ebenen, sind Auflösung von Bildtiefe sowie fortwährende Repetition. Hiervon ist der Gedanke zur Tapete nicht allzu weit. Als endgültige Verflachung von Malerei und dem Zusammenkommen von Bildträger und Wand. Nun interessiert mich bei der Arbeit Wallpaper aber auch das Moment von Fläche und Objekthaftigkeit beziehungsweise deren Überführung. Deshalb ist es mir ein Anliegen, die Arbeit eben nicht einfach an die Wand zu kleben wie es naheliegend wäre, sondern sie räumlich zu installieren. Der Titel Wallpaper verweist dabei auf den Funktionszusammenhang, die Arbeit ist aber durch die Art der Installation davon losgelöst. Das verwendete Muster ist eine Adaption eines vorgefundenen Patterns aus einem alltäglichen Zusammenhang, er wurde von mir modifiziert und vergrössert, in einen erneuten Rapport überführt und auf Papierbahnen ausgedruckt» (Valentina Stieger).

Zeltner Aline G 2012 1
Aline Zeltner, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012, Foto: Kunsthaus Baselland

In der Ausstellung im Kunsthaus Baselland zeigt Aline Zeltner drei verschiedene neue Arbeiten. In der Liftkoje ist ihr grosses violettes Buch Wohin gehst du? (2012) auf einem gelben Sockel installiert. Während mehreren Monaten hat Aline Zeltner flüchtige Momente der Begegnung an unterschiedlichen Orten und verschiedenen Stimmungen festgehalten und gesammelt. Sie hat Menschen während des Gehens von hinten fotografiert, diese gefundenen Momente verewigt und damit auch verlangsamt. Dieser Moment des Findens ist auch den sieben Objekten Ohne Titel (2012) eigen. Sie installierte sie auf umgekehrten farbigen Abfalleimern, die Sockel sind für kleine, fragile aus Abfall hergestellte Skulpturen. Sorgfältig geschützt durch eine Glasglocke, laden sie den Betrachter ein sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Mach mal einen Punkt (2012) ist eine Wandarbeit aus vier Plakatteilen, die Zeltner gewollt stümperhaft an die Wand kleistert. Der gedruckte rote Punkt ist eine fotografische Reproduktion eines kleinen von Hand gemalten Punktes, der sehr anschaulich die Schwierigkeit aufzeigt einen Punkt zu machen.

Paganelli Natacha G 2012 1
Natacha Paganelli, L'apprentie sorcière, 2012, (Still), Foto: Kunsthaus Baselland

Kuratiert von Sophie Kauffenstein, Accélerateur de particule, Strasbourg:
Natacha Paganelli
Dans les rues de Séoul en Corée une femme (l’artiste) tente de balayer la pluie. Geste frénétique, danse…?

Buchert Gregory G 2012 1
Gregory Buchert, 858 pages plus au Sud, 2010, (Still), Foto: Kunsthaus Baselland

Kuratiert von Sophie Kauffenstein, Accélerateur de particule, Strasbourg:
Gregory Buchert
Plus de 20 ans après la disparition de son père, Gregory Buchert choisit de rejouer un étrange souvenir d'enfance afin de comprendre les causes de son départ. Soit: un fils tentant de battre un énigmatique record paternel, en lisant Ulysse de James Joyce, dans un camping-car filant vers le sud de l'Europe.

Lejolivet Antoine G 2012 1
Antoine Lejolivet, Trou de ver, 2011, (Still), Foto: Kunsthaus Baselland

Kuratiert von Sophie Kauffenstein, Accélerateur de particule, Strasbourg:
Antoine Lejolivet
De la lumiere, un paysage, encore de la lumière, un autre paysage, beaucoup de lumière et toujours ce personnage, comme un observateur qui voyage dans des espaces temporels, sonores et linguistiques multiples. Un «trou de ver» est un tunnel théorique, le passage vers une fontaine blanche; une possible téléportation?