Toon Verhoef

19.9. —
16.11.2014

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Toon Verhoef, Unitled, 2014, 280 x 500 cm, Untitled, 2001, 290 x 500 cm, jeweils Öl und Acryl auf Leinwand, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Serge Hasenböhler
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Toon Verhoef, Untitled, 1992, Buntstift und Acryl auf Leinwand, 290 x 600 cm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Serge Hasenböhler
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Toon Verhoef, Untitled, 2001, 290 x 500 cm, Öl und Acryl auf Leinwand, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Serge Hasenböhler
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Toon Verhoef, Untitled, 2014, 280 x 500 cm, Öl und Acryl auf Leinwand, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Serge Hasenböhler
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Toon Verhoef, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Serge Hasenböhler

Umfangreiche Werkpräsentation des niederländischen Künstlers Toon Verhoef, die in Zusammenarbeit mit dem De Pont Museum Tilburg (NL) entstand und ausschliesslich neue Gemälde zeigte.


Auszug aus der Publikation Toon Verhoef

Mit Toon Verhoefs Gemälden macht man keine Ausstellung — dies wäre das falsche Wort. Vielmehr erzeugen Toon Verhoefs Gemälde aussergewöhnliche Situationen. Ganze Wandflächen werden von den mehrere Meter breiten und hohen Gemälden eingenommen. Sie korrespondieren unweigerlich mit dem Rechts und Links, gehen neue, erstaunliche Nachbarschaften ein, lassen Wände verschwinden. Mehr Ausdehnung und physische Präsenz ist kaum möglich. Dies hat nicht nur mit dem ungewöhnlichen Format zu tun.

Toon Verhoef ist seit vielen Jahren bekannt für seine grossformatigen Gemälde. Gemälde, die jeden, der damit zu tun hat, mit den Grenzen ihrer Transportierbarkeit und des Umgangs mit ihnen konfrontieren. Viele der grossformatigen aufgespannten Leinwände können das Atelier des Künstlers nur im gerollten Zustand verlassen. Diese praktischen Überlegungen oder auch Schwierigkeiten haben Toon Verhoef jedoch nicht davon abgehalten, an dieser für ihn wichtigen und interessanten künstlerischen Strategie festzuhalten. Und doch hat er in den letzten rund zehn Jahren kein grosses Gemälde mehr realisiert. Er hat sich zuletzt verstärkt mit kleineren Formaten, Zeichnungen und auch Druckgrafik beschäftigt, die — auf überschaubarer Bildfläche — andere Techniken und vor allem auch Fragestellungen und Themen zuliessen.

Seit 2013 hat er nun wieder mit der Arbeit an grossen Gemälden begonnen und im Hinblick auf die Werkpräsentationen im Kunsthaus Baselland und im De Pont Museum Tilburg vier neue grosse Werke realisiert, die alle das Mass 5 x 2.80 Meter aufweisen. Keine Abbildung — und sei sie noch so gut — kann die physische Präsenz und Unmittelbarkeit dieser Gemälde wiedergeben, und dies nicht allein wegen ihrer Grösse. Vor ihnen zu stehen und sie im Raum platziert zu erleben, heisst sofort auch, sich inmitten von ihnen zu befinden, sich ihnen nicht entziehen zu können. Das gewählte Format erlaubt ein unmittelbares Eintauchen in das, was man sieht und erlebt. Ist man es gewöhnt, zusammen mit der Malfläche — auch bei grossen Gemälden — immer auch Rand, Rahmen und Wand zu sehen, verhält es sich bei Toon Verhoefs Gemälden anders. Alles, was man sieht, ist Malerei.

In den vielen Gesprächen, die ich in den letzten Monaten mit Toon Verhoef führen konnte, sei es in seinem Atelier in Amsterdam, im Kunsthaus Baselland oder an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, wo er viele Jahre unterrichtete, kommt Verhoef immer wieder auf die Gattung Film zu sprechen, die von jeher eine starke Faszination auf ihn ausgeübt hat. Seine grossen Gemälde daher mit einem Filmscreen zu vergleichen, einer Kinoleinwand, die den Betrachter ebenso unmittelbar in den Bann schlägt, ist naheliegend. Und doch wird man gewahr, dass eine Kinoleinwand nur aus einem weissen Feld besteht, auf dem Bilder in einer narrativen Erzählung projiziert werden. Sie entführen uns in eine faszinierende, zugleich aber illusionistische Welt, während es um uns herum dunkel ist.

Toon Verhoefs Gemälde funktionieren anders. Sie sind Realität, sind Material, Farben, Tiefenschichten, sind Grösse, Gewicht, Geruch. Sie sind nicht linear, nach und nach wahrzunehmen. Sie vermitteln sich in einer Fülle von Gleichzeitigkeiten, farblichem Klang und zugleich voll von Fragen und Unerklärlichkeiten. Sie zu erleben — nicht zu verstehen, sondern zu erleben —, braucht Zeit, Licht und den nötigen Raum.

In einem unserer Gespräche gebrauchte Verhoef einen schönen Vergleich für seine Malerei: Er sei fasziniert von Szenen aus amerikanischen Filmen wie dieser: eine Familie der Mittelklasse in einer typischen Vorortstrasse, die Kinder springen im Haus herum, und plötzlich macht jemand eine verborgene Türe auf und alles Mögliche fällt mit einem Schlag heraus. Toon Verhoefs Gemälde könnte man nicht besser beschreiben. Man nähert sich ihnen, angezogen durch eine meist leichte, beschwingte Farbwahl, ihre erstaunliche Grösse sowie Formen, die man nicht recht erkennen mag — und plötzlich kommt einem alles entgegen. Alles Überraschende, Unerklärliche, Faszinierend-Irritierende. Diese unglaubliche Gleichzeitigkeit von Dingen, Formen, Bewegungen, die wir aus dem Leben nur zu gut kennen, die jeder Augenblick in dieser Fülle für uns bereithält.

Toon Verhoef erzählt in seinen Gemälden nicht von dem, was nicht da ist. Er erzählt in ihnen überhaupt nichts. Toon Verhoefs Gemälde zeigen vielmehr, was da ist. Sie zeigen eben diese nicht beschreibbare erstaunliche Gleichzeitigkeit, ihre Unerklärbarkeit, den Moment, in welchem sich etwas auf der Bildoberfläche zeigt — und zugleich wieder im Begriff ist in seinen Tiefenschichten zu verschwinden.

Zu fragen, was an Toon Verhoefs Gemälden so neuartig und überraschend ist, scheint gleichzeitig auf die Frage abzuzielen, was wir an der Welt und unserem In-der-Welt-Sein beständig neuartig und überraschend finden. Faszinierend sind die Gemälde nicht, weil wir mit Dingen konfrontiert werden, die wir nicht kennen, sondern weil wir das sehen und begreifen, was wir zu meinen kennen, aber neu sehen können. Toon Verhoefs Gemälde lassen uns daher ein wenig mehr an der Welt teilhaben.
Text von Ines Goldbach

Die Ausstellung im Kunsthaus Baselland sowie die Publikation wurden grosszügig unterstützt durch: kulturelles.bl, Mondriaan Fund, Migros Kulturprozent, Basellandschaftliche Kantonalbank, Gemeinde Muttenz, werner sutter AG sowie von jenen, die namentlich nicht genannt werden möchten.

Parallel zur Einzelausstellung von Toon Verhoef wurde jene von Erik Steinbrecher im Kunsthaus Baselland gezeigt.

Kurator*in: Ines Goldbach