Regionale 14

Being Specific!

28.11.2013 —
5.1.2014

The exhibition brings together 20 artists of various generations from the region who, in their artistic styles — varied as these are, as are the forms of work chosen — concentrate on precise, minimal placements and interventions in space. A further aspect that unites many of the artists is an interest in materiality and surfaces. A range of works have been produced specifically for the Kunsthaus Baselland or will relate to the space through the form of their presentation. Being Specific! is both the title of the exhibition that allows us to focus on this aspect of art, and the particular attraction of this year’s Regionale exhibition at the Kunsthaus Baselland. The works are mostly quiet, poetic, but for all that no less powerful, and they will generate a concentrated atmosphere alongside other pieces and in interaction with the spaces of the Kunsthaus Baselland.

KuratorIn: Ines Goldbach and the artist Dunja Herzog

Arnold Maximilian Siepert David G 2013 7
Maximilian Arnold, David Siepert, installation view Kunsthaus Baselland 2013, photo: Viktor Kolibàl

Die Musik- und Soundarbeit von Hannah Weinberger empfängt den Besucher unmittelbar im Eingangsbereich des Kunsthauses Baselland. Sichtbar sind dabei nur die Lautsprecher und deren Stative. Wie es der Titel schon anspricht, kann die Arbeit Hi als eine Form von Einladung, als ein Gruss, aber auch als eine Ansage und Nachricht respektive Momentaufnahme verstanden werden. Diese Komposition wurde entwickelt, um — wie es die Künstlerin formuliert — die «soziale Kakophonie» zu unterstreichen. Hannah Weinberger hat für diese Soundcollage verschiedene Aufnahmen sowie «field recordings» und Klangfrequenzen zusammengesetzt und neu zusammenkomponiert; teils sind es Cartoon-Vertonungen, teils Aufnahmen von Logic- oder ähnlichen Klangbibliotheken. Der Rhythmus des Sounds ist entscheidend: Mal verdichtet er sich, wird laut, mal läuft der Klangteppich langsam aus, wird weich und leise.

Ausgangspunkt für die Arbeit sind Fragen der Künstlerin an einen «Ort», eine bestimmte Zeit und die Möglichkeit ihrer Übertragbarkeit. Nimmt der Besucher bzw. Zuhörer die Arbeit — je nach Ort ihrer Realisierung — unterschiedlich wahr? In ihren Klangarbeiten entwickelt Hannah Weinberger überwiegend ortsspezifische Soundinstallationen, deren Reiz jedoch für die Künstlerin auch in der möglichen Übertragbarkeit und zugleich Einzigartigkeit liegt. Hi etwa konzipierte sie zunächst für ihre diesjährige Einzelausstellung in Los Angeles und realisiert sie nun erneut im Kunsthaus.

Die Werke von Maximilian Arnold sind das Resultat eines Ausprobierens oder vielmehr Überprüfens, was Malerei sein kann, wie man sie neu denken kann und wie sie reproduziert werden kann ohne an Reiz zu verlieren. An die Oberflächen der Gemälde herangeführt, gleicht das Sehen einem Suchen nach Indikatoren ihrer Herstellung. Im Kunsthaus Baselland zeigt Arnold vier Gemälde einer neuen Werkgruppe, die — hier im Gegenüber präsentiert — das Prozesshafte bzw. die Entwicklungsschritte seiner Malerei zeigen.

Für die beiden Werke Untitled verwendete Arnold schwarz gefärbten Polyesterstoff, den er mit Schnitten, Cuts, versieht und mit einem weiteren Stoff hinterfängt. Die grossen Gemälde auf der gegenüberliegenden Wand zeigen einen weiteren Schritt, bei dem der Künstler über den schwarzen Polyesterstoff einen weiteren, weissen spannt, um ihn dann, mittels eines aggressiven Klarlacks, der mit einem Fensterschieber verteilt wird, anlöst. Die Pigmente des unteren, schwarzen Stoffes werden bis zur Oberfläche des weissen Stoffes herausgezogen. Durch dieses Anlösen und den Trocknungsprozess bleiben zarte, wellartige Spuren auf der Oberfläche zurück; ansonsten ist die Bild-Oberfläche vollständig plan. Die sichtbaren Spuren der Schnitte und der Führung des Fensterschiebers bleibt als sichtbare Handschrift des Künstlers bestehen. Tritt man näher an die Gemälde wird eine Naht, die ungefähr über die Bildmitte verläuft, sichtbar. Eine Naht, die zwei Prozesse innerhalb der Malerei trennt. Denn in einem weiteren Arbeitsschritt stellt Arnold von eben jenem Gemälde eine Fotografie her und bringt sie via Digitaldruck auf das Polyester. Gemälde und seine Reproduktion sind in einem Werk vereint.

Die Faszination der Gemälde von Maximilian Arnold entsteht eben durch jenen Effekt des präzisen Formulierens von Malerei und den Möglichkeiten ihrer Reproduktion, ohne die Sinnlichkeit des Mediums preisgeben zu müssen. Denn bei allen Überlegungen und Eingriffen ist es — Malerei.)

Für die Arbeit Contemporary Silence hat David Siepert in unterschiedlichen Museen während der Öffnungszeiten Tonaufnahmen erstellt — im Museum of Modern Art in New York, in der Tate Modern in London, im Hamburger Bahnhof. Museum für Gegenwart in Berlin, im Kunsthaus Baselland und im Kunsthaus Zürich. Anschliessend liess er Auszüge daraus auf eine Schallplatte pressen, die nun den Ausstellungsraum im Kunsthaus Baselland mit «zeitgenössischer Stille» durchdringt. Zu hören ist die am jeweiligen Ort eingefangene Stille bzw. die sanft wellenden Gespräche und Schritte der Besucher während der Kunstbetrachtung.

Typisch für David Siepert und seine Herangehensweise ist, dass er die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt thematisiert. Etwas wird hörbar und erfahrbar, was sonst selbstverständlich und nicht fassbar erscheint: der Akt der Wahrnehmung. Durch das Verlagern und Wiedereinbetten gefundener Sprache jeglicher Art in neue Kontexte eröffnet Siepert neue Inhalte und Diskursfelder. Mit seiner Kunst versucht er stets, dem Betrachter Zugänge zur Auseinandersetzung zu ermöglichen und ihn selbst zum Handeln anzuregen — auf unaufdringlich und dennoch präsente Art und Weise.

Das oft zitierte Gemälde, das zum Sofa passen und darüber hängen soll — in Othmar Farrés mehrteiliger Arbeit Amerikanische Lösung kommt einem eben dieser Gedanke unmittelbar in den Sinn. Und doch ist alles anders. Othmar Farré geht vielmehr Überlegungen nach, die die Malerei und dabei insbesondere die generelle Frage der Wahrnehmung von Kunst betreffen: Was schafft Distanz zwischen dem Betrachter und dem Gemälde, was kann diese Distanz wieder aufheben? Welchen Wert spricht man Kunst zu?

Othmar Farré bedient sich für seine Arbeit Amerikanische Lösung eines gängigen Sofas — ein IKEA-Viersitzer —, das vom Künstler vollumfänglich in PVC-Folie eingeschweisst wurde. Der Titel bezieht sich auf die Art wie — vornehmlich in den 1970er-Jahren — Alltagsgegenstände, meist Sitzmöbel, mit Folie versehen wurden, um Schmutz abzuhalten und eine Langlebigkeit zu garantieren. Hier wirkt es wie ein Bewahrenwollen, ein Reinhalten von etwas, das wertvoll erscheint. Auf dem Sofa stehen zwei kleinformatige Gemälde mit gestischer Malerei, die ebenso in Folie verpackt sind. Hinter dem Sofa, das in seiner Stofflichkeit einer ungrundierten Leinwand ähnelt, ist ein weiteres grossformatiges Gemälde mit dem Titel Autist im Nebel zu sehen: eine ungrundierte Leinwand, auf die Farré wenige gestische Malspuren sowie ein Augenpaar gesetzt hat und auf dessen oberen Rand eine Brille liegt, als wäre sie eben erst dort abgelegt worden. Ironisch und komplex sind denn auch die Begriffe, die auf Farrés Arbeiten anwendbar sind. Locker, verspielt und zugleich konzeptuell-hintersinnig präsentieren sich seine Arbeiten und erzählen von einer systematischen Auseinandersetzung mit den heute gängigen Gattungen der Kunst und unser Verhältnis dazu.

Gepting Arthur G 2013 4
Arthur Gepting, Kyra Beck, installation view Kunsthaus Baselland 2013, Foto: Viktor Kolibàl

«When painters build a stretcher they get a sense of what it feels like to make sculpture. They knock it with a mallet — they pull and stretch the canvas, feel the elasticity, hammer in the nails with their free hand, but then they leave it. If they had carried on they would have discovered — like Arthur Gepting did a few years ago — that this activity yields an object with a front and a back and sides which projects into space. He made it bigger, felt its weight, stroked the wood, smelled the resin, punched its two-dimensionality, took it further. That was the moment when Arthur Gepting started making sculpture. His canvas is not a flat support, his canvas is the wall, the studio space, other spaces, the street, the city.

He takes discarded material, used material, poor material, unpromising material and puts it on the wall, on the floor and in the space, pulls it out, suspends it, stacks, leans and bends it. Unburdened by art and theory his work acts out the joy of finding its place in a world crammed with artful gimmickry. He faces art like Chuck Berry told Tchaikovsky the news. Roll over Beethoven!»
Text by Toon Verhoef

o. T. (Syndrom) ist eine Wandinstallation von Kyra Beck aus verschieden grossen Tonblöcken, die je nach Raumsituation variabel gesetzt werden. Die einzelnen Tonblöcke zeugen von den Spuren der Verarbeitung. Alle Blöcke haben für die Künstlerin die gleiche Ausgangslage, in die sie dann aktiv oder passiv abwartend ‹eingreift›. Fingerabdrücke, Transportspuren, Abdrücke der Kunststoffverpackung und der Lagerung sind erkennbar. Manche der Blöcke werden durch das Werfen und Schlagen einem weiteren Verformungsprozess ausgesetzt, andere werden aus ihrer Verpackung gewickelt und tragen dadurch die Spuren des Umgangs mit dem Material.

Kyra Beck legt zunächst eine Ansichtseite fest, versieht die Arbeiten mit einer Aufhängung und brennt die Tonblöcke. Ihre charakteristische, feintonige Farbigkeit erhalten die Arbeiten durch unterschiedliche Brenntemperaturen. Erst nach dem Brennvorgang entscheidet die Künstlerin, ob das Resultat ihrer Vorstellung entspricht.

Für die 14. Regionale greift die Künstlerin Kyra Beck eine Raumdiagonale im Kunsthaus Baselland auf. Schritt für Schritt wird der Besucher optisch auf die Suche geschickt, diese Linie und Eckpunkte im Raum zu beschreiten und zu entdecken — definiert durch die an unterschiedlichen Orten und Höhen platzierten Tonobjekte. Die Werkdiagonale entspricht einer Möglichkeit und einem Angebot, einem Art Begleiter durch die Ausstellung.

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Gina Folly, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2013, Foto: Gina Folly

Die Arbeit (sic) von Judith Kakon empfängt den Besucher bereits vor dem Eintritt ins Kunsthaus. Die grossen Fenster des Annex sind teilweise mit einer langen Netzplane verdeckt, durch die sich fein das Tageslicht durcharbeitet und eine malerische Struktur freilegt. Betritt man dann den Raum, in dem Judith Kakon ihre mehrteilige neue Arbeit für das Kunsthaus realisiert hat, zeigt sich erst deren ganze Ausdehnung: eine 12 Meter lange und 3 Meter breite Netzplane, die die Künstlerin digital bedrucken liess. Das Motiv — das nicht leicht zu entschlüsseln ist — gleicht bisweilen einer gestischen Malerei und wird von der Künstlerin aus unterschiedlichen Files zu einer grossen Farb- und Formcollage zusammengesetzt und abfotografiert. Quelle der Fotografien sind zweckgebundene Planen, die unterschiedlichste Funktionen haben, etwa den Schutz vor Licht und Sonne. Doch bei Kakon entsteht daraus eine Art Anti-Plane, die nur formal an den Ursprung erinnert. Fast kommt es einem auch so vor, als hätte sie das Banner des Kunsthauses mit einem Shift in den Raum hineingedreht und verändert.

Auf die gegenüberliegende Wand projiziert die Künstlerin, fast schemenhaft, Wörter und Namen, die ein grosses Feld an Assoziationen eröffnen und den Leser im Unklaren über ihre Herkunft und Bedeutung lassen: DJ Model, Pierro, Prato, Urban… Quellen dieser Namen sind u.a. lokale Modemarken von Grosshändlern auf einer der dafür bekanntesten Strassen von Tel Aviv. Namen wie Läden tauchen hier auf und verschwinden im nächsten Moment wieder. Der Ort des Geschehens spielt jedoch für Kakon keine entscheidende Rolle. Mehr interessiert sie die Funktion, die Sprache und Gegenstände in einer Gesellschaft spielen und einnehmen kann. Überhaupt bricht Kakon mit ihrer Arbeit das eindeutig Glatte und Weiche immer wieder auf, entwirft Bilder, die zwischen einem immateriellen und materiellen Erscheinen changieren, etwas eindeutig sagen und doch zugleich alles infrage stellen und möglich lassen.

Gina Folly wählt für ihre Arbeit Untitled (Haemanthus albiflos, Suite), die sie für die 14. Regionale neu konzipiert hat, ein Elefantenohr. Eine Pflanze, deren Name und Aussehen u. a. an ein Hörorgan erinnern und die — wenngleich natürlich-organisch — fast künstlich anmutet. Beinahe frei im Raum schwebend, ist die Pflanze flankiert von einem kleinen Lautsprecher. Die feinen Musik-Sound-Sequenzen, die Gina Folly der Pflanze für die Dauer der Ausstellung zur Seite stellt, wurden von dem befreundeten Komponisten und Programmierer Stephen Lumenta zusammengestellt, um — wie es die Künstlerin beschreibt — das Wachstum der Pflanze zu beeinflussen.

Der feinen Pflanzen-Sound-Arbeit gesellt sich am Boden stehend eine Reihe von mit Wasser gefüllten Pet-Flaschen, scheinbar immer bereit, der Pflanze Wasser zu schenken. Die stete Nachbarschaft von Pflanze und gefüllten PET-Flaschen ist denn auch ein Phänomen, das Gina Folly bei ihrem letzten Japan-Aufenthalt fasziniert und das sie fotografisch festgehalten hat. Einmal mehr ist es die Fotografie, die die Künstlerin als Ausgangspunkt ihrer Arbeiten wählt. Ebenso zum Arrangement gehört ein Stapel Plakate mit der Aufforderung an den Besucher, ein Exemplar mitzunehmen. Zu sehen sind Fotografien aus einem japanischen Haus- und Gartenmagazin des Jahres 1977, die klare Anleitungen zum Pflanzen und Gärtnern beinhalten.

Doch nur um das pflanzliche Wohlergehen, das Gedeihen- und Wachsenkönnen im Rhythmus eines Sounds geht es der Künstlerin nicht. Vielmehr handelt es sich bei ihrem Werk um eine Bestandsaufnahme und dabei ironisch-feine Kritik an der heutigen Wellness- und Wohlfühlgesellschaft, die sich zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit zu verorten sucht und mit allen Mitteln und Möglichkeiten nach einem besseren Leben strebt — für Pflanzen, Tiere, Menschen.

Nicole A. Wietlisbach hat für ihre Präsentation im Kunsthaus vier Arbeiten aus der Werkgruppe susurro locus gewählt, die sie in zwei Räumen der oberen Galerie zeigt. Es sind auf den ersten Blick einfache, leichte Konstruktionen aus Holz sowie Lautsprechern und Lautsprecherkabel, die die Künstlerin feingliedrig zusammenfügt.

Teils sind sie an die Wand montiert, teils stehen sie als Diagonale an eine Wand gelehnt im Raum oder finden ihren Ort auf dem Boden. Die Arbeiten ergänzt die Künstlerin mit Sound, der aus den Lautsprechern der Objekte ertönt. Jedes Objekt trägt seinen individuellen Sound. Es sind Geräusche, die an ein Knattern, Knistern oder Rauschen erinnern. Diese nicht klar definierbaren Sounds sind nur dezent hörbar und weisen zum Teil rhythmische Elemente auf, welche die formalen Strukturen der Arbeit unterstreichen und den Objekten eine Lebendigkeit verleihen.

Die grossformatigen Fotografien von Uta Pütz, die im Kunsthaus einen ganzen Raum einnehmen, erzählen von ihrem Hauptinteresse, mittels Bildhauerei und Fotografie — wie sie sagt — dem Charakter bzw. der Seele von Dingen auf den Grund zu gehen. Es ist der aufmerksame Blick, der sich in den Aufnahmen widerspiegelt: Pütz sieht den Reiz von Materialien und Gegenständen aus dem Alltag, meist mit deutlichen Gebrauchsspuren, in ihrer Poesie und Formschönheit, sie baut sie teilweise neu zusammen und kombiniert sie. Einerseits belässt sie diese als Objekte im Raum oder fotografiert sie — oftmals ausschnitthaft oder im Detail — ab.

Die Arbeiten, die Uta Pütz im Kunsthaus Baselland zeigt, sind in 2013 während eines iaab-Stipendienaufenthalts in Helsinki entstanden. Meist sind die Arrangements so instabil, dass die Fotos sehr kurze Momentaufnahmen sind: Sie zeigen eben jenen Moment, in dem die einzelnen Gegenstände gerade noch ihr Gleichgewicht halten. Alle Gegenstände verweisen durch ihre Gebrauchsspuren auf Geschichten und bergen, so unscheinbar und filigran sie sein mögen, Erinnerungen und Assoziationen, die Uta Pütz in ihren Fotografien jedoch nicht weitererzählt. Vielmehr interessieren die Künstlerin die Möglichkeiten, die sie aufzeigen und selbst mitbringen, aber auch die Abwesenheit und Leere, das Fehlen bzw. die Verschlüsselung von Information. Es schwebt dadurch, wie die Künstlerin es selbst ausdrückt, etwas im Raum. Es werden Möglichkeiten angestossen, aber keine Eindeutigkeiten gegeben. Das ist der grosse Reiz ihrer Arbeiten.

Baumann Sylvain G 2013 11
Sylvain Baumann, installation view Kunsthaus Baselland 2013, photo: Viktor Kolibàl

Sylvain Baumann interessiert sich für Zwischenräume, für den Prozess der Wahrnehmung, der in räumlichen und zeitlichen Zwischenräumen entstehen kann — sowie für Möglichkeiten und Einschränkungen, die Architektur für die eigene Bewegung vorgeben kann. Für die Ausstellung Being Specific! geht Baumann einen entscheidenden Schritt weiter in seiner Reflexion über die Konditionen unseres Verhaltens und unseres Denkens innerhalb des Raumes — ein Thema, das sein künstlerisches Schaffen bestimmt.

Der Künstler hat zwischen den beiden oberen Galerieräumen im Kunsthaus Baselland einen Handlauf aus Edelstahl installiert, höher als ein übliches Geländer. Statt von einem Raum in den nächsten zu führen, blockiert die Arbeit den Bewegungsfluss des Besuchers. Zwar ist es weiterhin möglich, von einer Seite aus in den nächsten Raum zu treten und die darin ausgestellten Werke (sowohl Frame-Arbeiten von Sylvain Baumann, die kaum wahrnehmbare ‹Lichtabdrücke› zeigen, als auch Arbeiten von Nicole Wietlisbach nd Sebastian Winkler) zu sehen, doch das nähere Beschreiten und die tatsächliche intensive Wahrnehmung ist verwehrt. Man ist angehalten umzukehren, die drei Kabinetträume von der anderen Seite zu betreten und nicht der üblichen linearen Bewegungsrichtung zu folgen. Mit minimalen Mitteln und präzisen Setzungen eröffnet Baumann mit seinen Arbeiten und Rauminterventionen Fragen nach der körperlichen, kognitiven und sensiblen Erfahrung des Ausstellungsraumes und der eigenen Verortung darin. Mit jedem Werk geht Baumann dieser Frage weiter nach und schreibt sie in einen anhaltenden Prozess ein.

Baumann Sylvain Winkler Sebastian G 2013 12
Sylvain Baumann, Sebastian Winkler, installation view Kunsthaus Baselland 2013, photo: Viktor Kolibàl

Die feingliedrige Arbeit von Sebastian Winkler gleicht einem Raum im Raum — ein Raum, der mit dem jeweiligen Umraum, in welchem sie präsentiert wird, korrespondiert und sich zugleich von ihm abgrenzt. Ein Raum, der erzählt und gedanklich beschritten werden kann.

An der Strasse mit dem Brunnen — bereits der Titel der Arbeit verrät, dass es Sebastian Winkler um mehr geht als nur um eine skulpturale formale Setzung im Raum. Zwei quaderartige Strukturen, Wachspapiere, Dauerdosen im gebrochenen, fast geheimnisvoll wirkenden Mattgold, weiss bemaltes Holz: Es sind einfache Mittel, Gegenstände aus dem Alltag oder der Natur, mit denen der Künstler zarte Erinnerungsbilder eröffnet. Gegenstände, in die Winkler oftmals nur minimal eingreift oder sie unverändert belässt.

So entstehen in der Assoziation und Erinnerung Bilder, die davon berichten könnten, dass etwas bewahrt werden will; der kurze Moment etwa, wenn Holz verbrennt, in dem sich eine weisse Ascheschicht bildet, bevor alles zerfällt. Die Gegenstände, die Winkler in seinen Werken wählt, laden nicht nur zu einem gedanklichen Spaziergang mit zahlreichen möglichen Assoziationen ein, sondern zur eigenen Verortung und damit zum eigenen Empfinden in der Anschauung mit dem Werk.

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David Berweger, Maximilian Arnold, installation view Kunsthaus Baselland 2013, photo: Viktor Kolibàl

Ausgangspunkt für David Berwegers künstlerisches Schaffen ist sein Umgang mit unterschiedlichsten Materialien, die er teilweise in längeren Arbeitsschritten selbst herstellt, wie etwa die Gewinnung von feinen Pigmenten aus Verbrennungsrückständen. Pulver, Pigmente, Sprayfarbe, Folien, unterschiedliche Papiere sind auch die Materialien, mit denen Berweger umgeht und mit deren Hilfe er in einem ersten Schritt oftmals ein strenges, geometrisches Formenvokabular entwickelt. Die Strenge bricht er im nächsten Moment allerdings bereits wieder auf, indem er in die Materialien eingreift, sie verändert oder irritiert. So werden etwa (Farb-)Pigmente geometrisch exakt in grossen teppichartigen Anordnungen auf die Bodenfläche verteilt, um sie teilweise wieder zu verwischen oder aufzulösen.

Für seine neue Arbeit im Kunsthaus Baselland verwendet Berweger einen grossen Bogen Papier; die Grösse entspricht der für ihn maximal lieferbaren Papiergrösse. Dieses leicht steife, 100-grämmige Papier wird vom Künstler in mehreren Arbeitsschritten gefaltet und mit einem von ihm angeschliffenen Holzimitatfolie — gleich einem Rahmen — an den Rändern versehen. Als malerische Vorlage für die Bildfläche dienen die Ränder einer grossen Instant-Fotografie, wo sich die chemischen und mechanischen Prozesse jenseits des Bildes einigermassen unkontrolliert abzeichnen. Das Bildzentrum lässt er dabei frei und offen.

Vieles in dieser Arbeit scheint als ein «als ob», irritiert den Betrachter zunächst zwischen einem ‹real und imitiert› und stellt damit Fragen an das, was wir sehen, wahrnehmen und uns vorstellen können. Berweger benutzt denn auch die Formulierung «Den Zweifel nähren» für viele seiner Werke, bei denen ein zweiter, hinterfragender Blick stets sinnfällig ist.

Yves Scherer: «In Baby we can travel the world neither production nor interaction with the object can be found here. Like an object from Outer-Space, the black box in Kubricks Space Odyssey, this piece does not seem to have any physical or terrestrial origins. As a container enclosing a certain amount of water but also as a barrier in the surrounding it is placed within, Baby we can travel the world rips a hole in the space, which it fills up with it's own body's content. Completely transparent if you front it, with dimensions reminding you of the overlong screen of an Iphone 5, it shows off it's massive materiality only if you walk around it. Initially installed with an image showing Yves girlfriend sitting in front of the computer, a Skype still as we are confronted with it everyday, the arrangement spoke of the intimacy possible within prevalent technologies as well as the prohibition from any promised haptic pleasure by 8cm of solid Perspex. Out of this situation, as an object in a default space, the piece becomes a tool, a working piece aside exclusive living room furniture. Baby we can travel the world then allows you to enter autistic mode, to unjack from the World Wide Web and to find your way back into your physical environment over staring at the transparent, filled-up emptiness of clear water in your Tokyo Penthouse.»

Esther Hunziker zeigt anlässlich der 14. Regionale im Kunsthaus drei Videoarbeiten. FUTURE ist ein sechsstündiges Science-Fiction-Video, das nur aus einem projizierten Schwarz-Weiss-Text besteht. Es zeigt sämtliche Titel von Science-Fiction-Filmen, die zwischen 1900 und 2013 realisiert wurden, in alphabetischer Reihenfolge von A—Z. Jeder dieser Titel verweist auf eine Zeit, die noch nicht stattgefunden hat, vielleicht auch nie stattfinden wird – eine Zeit, über die nur spekuliert werden kann. Reduziert allein auf die Titel, läuft vor unseren Augen der Index einer fiktionalen Welt ab, mit Begriffen über Ängste, Hoffnungen, Katastrophen, Illusionen etc. Welche Geschichten und Zukunftsvisionen mögen sich hinter Titeln wie A Nymphoid Barbarian in Dinosaur Hell oder Surf Nazis Must Die verbergen? Welche technischen und fiktionalen Spekulationen zeigen Filme wie Return to the Lost World, Summer Time Machine Blues oder Atomic Brain Invasion? Das Video gibt keine Antworten auf diese Fragen, zeigt keine Bilder, kein Ton, nur den Titel, den Regisseur, das Jahr und die Produktionsfirma des jeweiligen Science-Fiction-Films — nichts mehr und nichts weniger, 6 Stunden lang.

Frames zeigt 5 Sekunden Fernsehmaterial ausgedehnt auf 5 Minuten. Das Video baut sich langsam aus jedem einzelnen Halbbild auf, Frame für Frame. Es sind die Zwischenbilder, die hier im Fokus stehen, Bilder, die wir normalerweise nicht sehen. Zum Vollbild ausgedehnt und an die Oberfläche gerückt, lassen sich die abstrakten Videobilder kaum mehr einordnen. Es gehört zu Esther Hunzikers Handschrift, dass sie dem vordergründig behaglich Glatten stets ein entscheidendes Mass an Unruhe hinzufügt.

In seinen fotografischen Arbeiten erstellt David Heitz einen Index marginaler urbaner Situationen. Bei der Regionale 14 zeigt er die Serie ohne Titel (Motive), Bregenz 2012, die aus einer Serie von 38 Mittelformatpositiven besteht, konzipiert als zwei separat projizierte Bildsequenzen. Eine der Sequenzen ist in der Kunsthalle Basel zu sehen, die andere Sequenz, mit 21 Positiven, im Kunsthaus Baselland. Der Ort Bregenz, an dem die Fotografien entstanden sind, stellt lediglich eine formale Klammer dar, denn die Motive selbst vermitteln keine topographischen Beschreibungen. Auch führt der genaue Einsatz der fotografischen Mittel die Fotografien weit über das rein Dokumentarische hinaus.

Zu sehen sind architektonische Situationen, die durch die Begrenzung des Bildausschnittes zu minimalistischen Arrangements werden. Die Präzision der Auswahl dieser Ausschnitte konterkariert die funktionale Beiläufigkeit, die die vorgefundenen Situationen kennzeichnet. Durch die schwarz-weiss Fotografie treten die Beschaffenheit der Materialien und die architektonische Strukturen in den Vordergrund und verdichten die unauffälligen Ansichten zu vielschichtigen Kompositionen. Auch die Präsentation folgt einer klaren Organisation: Die Standzeiten der Fotografien innerhalb der Bildabfolge wechseln zwischen 15 und 35 Sekunden und vermitteln so Verwandtschaften zwischen den einzelnen Bildern.
Text von Ruth Kissling

Von Ow Andreas G 2013 6
Andreas von Ow, installation view Kunsthaus Baselland 2013, photo: Viktor Kolibàl

Die Malerei von Andreas von Ow beginnt mit dem Moment des Erkundens und Entdeckens. Zerbrochene Gläser können als Bildträger dienen, Farbessenzen werden aus der Natur oder dem Alltag entnommen — von Orten, an denen von Ow sich aufhält, diese Materialien sammeln kann und sie in Voraussetzungen für deine poetische Malerei umwandelt; Orte, die er auch in den Titeln seiner Werke angibt. An diesen Orten findet er sein Material: Holunder- oder Ligusterbeeren, Marmorstaub oder Backsteinsand, die zu Farbpigmenten verarbeitet werden, um sie anschliessend auf Glas mit Acryl zu binden oder auf Papiere zu streichen.

Für die Arbeit Privet berries (Tiergarten), etwa, die von Ow auf der Empore des Kunsthauses zeigt, verwendet der Künstler den Saft dunkler Beeren, die er in unzähligen Schichten auf das grosse Papier von der Mitte aus an die Ränder mit breitem Pinsel vermalt. Während seine Malerei in der Mitte des Papieres die Verdichtung der Naturmaterialien aufweist, sind die Ränder heller, rötlicher und leichter.

Die Wahl seiner Materialien ist nicht zufällig. Es sind einerseits etwa die satten Farben der Früchte, die in der Dichte des Auftrags pastos auf den Papieren liegen und einen faszinierenden Farbton erzeugen. Andererseits erzählt von Ow mit seinen Arbeiten auch von der Möglichkeit, mit Malerei Dinge wandeln und auf diese Weise fortschreiben zu können. Essenzen und Farben aus Dingen herauszulösen, Schicht um Schicht wieder aufzutragen und sie damit zu bewahren — und von etwas Alltäglichem in etwas Poetisches zu überzuführen, das ist das Faszinierende an seinen Arbeiten.

Stucky Raphael G 2013 3
Raphael Stucky, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2013, Foto: Viktor Kolibàl

Raphael Stuckys Videoinstallation besteht aus zwölf Monitoren auf Klapptischen, die der Künstler mittels leichter Drehung alle auf eine Seite ausrichtet. Dem Betrachter wird dadurch ermöglicht, die unterschiedlichen, schlaglichtartig präsentierten Momentaufnahmen nicht nur in der Zeit des Abschreitens nach und nach zu erfassen, sondern sie alle auf einmal einzusehen. Für das Kunsthaus Baselland hat Stucky diese 2013 entstandene Abschlussarbeit um weitere Videosequenzen und Monitore erweitert und somit deutlich in den Raum eingeschrieben.

Präzise wählt der Künstler in Sekundenvideos alltägliche Begebenheiten wie das Zuspannen eines Sonnenschirms oder den Schatten vorbeilaufender Personen auf einer am Strassenrand stehenden Matratze, unterlegt mit der jeweiligen Geräuschkulisse vor Ort. Er selbst sieht diese Frequenzen als bewegte Zeichnungen und Skulpturen im öffentlichen Raum, mit deren prägnanter Kürze er sich auch, wie er sagt, gegen die oftmals zeitliche Unzumutbarkeit in der Videokunst positionieren möchte. Der Frage nachgehend, wie kurz ein Video sein kann, damit es noch als solches wahrgenommen wird, bedient er sich GIF-Animationen, Grindcore-Musik und Werbung als Inspirationsquelle.

Nicht fixiert auf einen Monitor, wandern die einzelnen Videosequenzen in unterschiedlichen Rhythmen von einem Monitor auf den nächsten. Die kurzen, sich im loop wiederholenden Sequenzen zeugen von einer feinen Beobachtungsgabe und einem Interesse an den schönen, alltäglichen Dingen, die mit oder ohne Fremdeinwirkungen im Alltag auftreten können und vom Künstler mittels des Mediums Film mit Sound eingefangen werden.

Die Objekte von Oliver Schuß, für die er eine reduzierte, klare und meist geometrische Formensprache wählt, fordern zur Bewegung heraus: ein visuelles Abtasten der Volumen, die die Objekte beschreiben, und des Umraumes, in welchem sie ihren Ort gefunden haben. Das teilweise Umschreiten der Werke mit ihren offenen Strukturen oder filigranen Formen, den Wechsel von Nah- und Fernsicht, die Veränderung der Schatten, den die Formen auf die Wand werfen — all das ist sinnfällig für die Werkannäherung und das Werkverständnis.

Alles ist sichtbar: die Konstruktion, die Wahl des Materials — sei es Holz, Stahl oder Aluminium —, die matte oder seidenmatte und dadurch zurückhaltende Farbbeschichtung, bei der sich der Künstler auf zwei bis drei Farben beschränkt. Meist werden gedeckte Farb- oder Grautöne oder auch ein Schwarz-Weiss verwendet, und oftmals weisen die Oberflächen feine Fertigungsspuren auf.

Eine spannungsvolle Irritation schaffen die Arbeiten auch durch ihre feine Andeutung von möglichen Funktionen — sie erinnern an Behälter, Trägerstrukturen oder Gebrauchsgegenstände. Sie entziehen sich zugleich jedweder Zuordnung, Eindeutigkeit und damit Fassbarkeit.

Benjamin Appel greift mit seinen Objekten auf Gegenstände im Alltag zurück. Möbel werden auf ihre Volumen hin untersucht, auf ihre Fähigkeit, sich nach Eingriffen wandeln zu können, sich im Raum zu behaupten und Raum zu erzeugen. Für die Arbeit Klappstühle und Schubladen, die Appel im Kunsthaus Baselland zeigt, benutzt der Künstler einfache Küchenschränke, die Gebrauchsspuren aufweisen, giesst Beton in sie hinein und generiert dadurch eine neue, glatte Oberfläche in die ansonsten vorhandenen Leerräume. Die so entstandenen, unterschiedlich grossen Objekte werden zu einer Art Rechteck zusammengefügt und im Raum platziert, abhängig vom Raummass und seinen architektonischen Begebenheiten.

Die kleinformatigen Gemälde aus der Serie Möbel und Schranken, die in der hiesigen Ausstellung zusammen mit der raumgreifenden Bodenarbeit Klappstühle und Schubladen gezeigt werden, verbinden sich nicht nur optisch mit der grossen Bodenarbeit; für Benjamin Appel sind alle seine Arbeiten Teil eines Werkverständnisses — wie einzelne Module, die immer wieder neu zusammengefügt werden können. Auch richtet er alle Elemente aufeinander und im Verhältnis zum Raum aus. Die stark farbigen Ölfarben, die Appel für seine Gemälde wählt, werden in dichten, pastosen Schichten auf den Bildträger aufgetragen und erinnern ebenso an Strukturen aus dem Alltag, lösen sich aber im nächsten Schritt — ähnlich wie die grosse Bodenarbeit — von jeder Form des Erzählerischen.