Hildegard Spielhofer

13.8.  —
1.10.2006

Something has slipped away

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Hildegard Spielhofer, Something has slipped away (L.A. Times), 2005, Foto: Kunsthaus Baselland
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Hildegard Spielhofer, Something has slipped away (WOZ), 2005, Foto: Kunsthaus Baselland
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Hildegard Spielhofer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2006, Foto: Kunsthaus Baselland
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Hildegard Spielhofer, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2006, Foto: Kunsthaus Baselland

Hildegard Spielhofer (*1966 in Luzern, lebt und arbeitet in Basel), welche als Künstlerin vor allem durch ihre Auseinandersetzung mit den neuen Medien bekannt ist, zeigt in ihrer Einzelausstellung im Kunsthaus Baselland jüngste Werke, in welchen sie sich erstmals in Form von Siebdrucken und Tuschezeichnungen ausdrückt.

Die 9-teilige Siebdruck-Reihe The New York Times, Sunday, September 16, 2001 greift auf annoncierte Trauerbekundungen für die Opfer des 11. September 2001 in New York zurück, die von diversen Firmen lanciert wurden. Von den Modefirmen Cartier, Bulgari und Chanel bis hin zu den Kaufhausketten Bloomingdale’s, Kmart und Sears, den Investmentfirmen Prudential Financial, Cushmann & Wakefield, Merrill Lynch, der Allianz Group sowie der Einrichtungsfirma Ethan Allen nutzten die jeweiligen Werbestrategen die Zeitungsplattform nicht nur um ihre Anteilnahme zum Ausdruck zu bringen, sondern gleichzeitig dafür, um für die eigene Firmenidentität und deren Produkte zu werben. Spielhofer untersucht die Texte dieser zufällig an jenem Tag platzierten Annoncen und generiert daraus eine Wortauswahl, deren Inhalt trotz der Verwendung im Kontext von Trauer und Tragödie bereits ein Vorwärtsblicken und eine aktive Schicksalsbewältigungsstrategie manifestiert. Wörter wie «act, active, confident, continue, effort, forget, guide, hope, join, offer, overcome, relief, renewed, stand, strength, unite...» transportieren eine Stimmung, welche das Weitermachen nach persönlichen und allgemeinen Traumata stimuliert. Die Siebdrucke der Annoncen sind teilweise mit jenen Wortketten überlagert und repetieren die Überfülle an Informationen und Reaktionsanweisungen in der Zeit nach 9/11.

Eine ähnliche Atmosphäre evoziert auch der Titel der Ausstellung Something has slipped away sowie die analog betitelten Tuschezeichnungen und der Neonschriftzug. Etwas ist aus dem Alltäglichen gekippt, aber es wird wieder besser werden, scheint die Botschaft zu verlautbaren. Eine zweite Reihe von Tuschezeichnungen greift auf Motive zurück, welche diversen Zeitungsporträts von Menschen in Krisensituationen entnommen sind. Das Dokumentarische der Ausgangsquelle hat Spielhofer zurückgenommen und auf einzelne Elemente des ursprünglichen Fotos reduziert. Durch die aquarellhafte Zeichnung auf Transparentpapier und die Präsentation als Leuchtkastenzeichnung überführt die Künstlerin ein ursprünglich singuläres Motiv in etwas Allgemeingültiges. Der emotionelle Gehalt selbst ist hervorgehoben und bezieht nicht zuletzt der Betrachter in die Präsentation mit ein. Der flüchtige Charakter der Werke lässt an Vergangenes, an Auflösung und an Erinnerungen denken.

Eine Art Übergangsstimmung zwischen Gegensätzlichem, wie schon in den vorher beschriebenen Werken, beschwört Spielhofers Video Wiegen aus dem Werkzyklus der Videopoems herauf. Der vom RTL-Fernsehsender abgefilmte und verlangsamt wiedergegebene Boxkampf zwischen Henry Maske und Graciano Rocchigiani wird einmal zur Kampf-, ein andermal zur Umarmungsszene. Das Aufbäumen beider Körper weist ebenso tänzerische wie kämpferisch gefährliche Momente auf.

Something has slipped away steht als Titel für eine Reihe neuester Werke der Künstlerin, welche allesamt durch das Aufgreifen existentieller transitorischer Momente und Stimmungen charakterisiert ist.

Kurator*in: Sabine Schaschl