Liste 08
2.6.
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8.6.2008
Kunsthaus Baselland is proud to have been chosen as a guest institution to represent itself at LISTE 08 – the young art fair.
The particular space given to guest institutions serves as an all-year platform for print making, especially handcrafted and highly specialized prints. The heavy machinery — still very visible and immobile — together with the special patina of old prints glued to the wall, paint and dust accumulated over the years served as one conceptual starting point for the exhibition presented. The different marks of work traces characterize the space with a certain historical notion and its link to the present which made me explore artistic practices and ask how certain work periods impact the body of work more than others and are important in terms of an inherent conceptual development. Together with the artists I chose works that address a process-oriented questionnaire and react to the oddness of the space. Since Kunsthaus Baselland has been invited as an institution with an extraordinary track record and success over the last few years, I decided to work with artists who have already been represented by Kunsthaus Baselland before, with a view to giving back some of its success to the ones contributing to it. Of course, this special invitation demands selection and not all of the more than 300 artists we have worked with since 2001 could be featured. At this point I would like to point out our website which gives a great overview of all the exhibitions we did, providing image and text material in the archive section. Please visit: www.kunsthausbaselland.ch I would like to thank all the artists we have worked with over the years, their galleries, my colleagues with whom we were involved in collaborative projects and my team; thanks to them and their enthusiasm we have been able to carry out highly ambitious. My special thanks goes out to Peter Bläuer, who enabled this presentation as well as our main sponsor kulturelles.bl.
Mit den vorgefundenen Druckmaschinen der Druckwerkstatt, dem Austragungsort dieser Ausstellungspräsentation, arbeitet Anna Amadio. Wie schon in ihren Zeichnungen, die auf dem Prinzip der Frottage basieren und mittels verschiedener An- und Einsätze der Frottage-Grundlagen und des Zeichenmaterials immer wieder neue Landschaftsszenarien erzeugen, konzipiert die Künstlerin erstmals eine Art dreidimensionale Frottage: Den Abdruck der Druckmaschinen mittels Folie, welche im Hitzeverfahren verdichtet wird. Die Maschinen erfahren eine Art Einkleidung und mutieren zu verselbständigten, unbekannten Formen. Ihre fleischliche Farbe verleiht ihnen einen Hauch menschliche Referenz, die sich durch die Formgebung jedoch wieder auflöst.
Thomas Baumann ist bekannt für Werke, die den klassischen Begriff von Skulptur jedesmal neu hinterfragen. In der speziell für die Liste — the young art fair erstellten Edition wird ein Seil, ausgestattet mit einem Motor, zu einer mobilen Zeichnung an der Wand und gleichzeitig zur Wandskulptur. Baumann fokussiert in seinen Skulpturen auf die Themen Bewegung, das Verhältnis von Raum und Betrachter, ebenso wie auf die Veränderung der Form und auf das Ausbalancieren der Komposition. Sein Werkbegriff integriert Veränderung und Wandel, womit er nicht zuletzt eine Brücke zur Charakterisierung unserer Gesellschaft schlägt.
Stefan Burger ist Fotograf, der das Medium vor allem in all seinen konzeptuellen Möglichkeiten hinterfragt, dabei die verschiedensten Richtungen einschlägt und vor dem Gebrauch anderer Medien nicht zurückschreckt. Für Two hidden light stands in a landscape inszeniert er eine Komposition, die Gefundenes aufgreift und mit ausgesuchten Gegenständen ergänzt. Die Garagenzufahrt mit ihrer konstruktivistisch anmutenden Wand, in welche Betonkuben eingebaut sind, wird zum Austragungsort eines inszenierten Geschehens: verschiedene Dinge, u.a. auch zwei Fotostative, sind zu einer momentanen Landschaft arrangiert, welche im Scheinwerferlicht aufleuchtet. Burger erstellt in dieser speziell für Liste — the young art fair entstandene Arbeit ein Protokoll über die Fotografie selbst und thematisiert gleichzeitig deren Produktionszustände und -ästhetik.
Der zweite Raum der Druckwerkstatt, Austragungsort dieser Präsentation, widmet sich dem Thema Film- und Video. Eine Wandinstallation von Philippe Decrauzat bereitet das eigentliche Videoprogramm vor: Komakino ist eine Arbeit, welche die kinematischen Aspekte der Dream Machine (welche eigentlich dazu gedacht ist, hypnotische Zustände hervorzurufen) auf einer Wand ausbreitet. Sie folgt einem Raster aus Perforationen. Auf den Feldern, die für diese Perforationen stehen, sind Zeichnungen angebracht, die eine Art Signalwirkung haben: «Achtung, hier beginnt der Film!» ( Philippe Decrauzat)
Shaun Gladwells Video Apology to Roadkill, ist Teil der Trilogie Maddest Maximus. Alle drei Videos thematisieren eine scheinbar endlose und ohne Zielrichtung getragene Bewegung durch die Weite der australischen Landschaft. In Apology to Roadkill steigt der Künstler von seinem Motorrad ab, um sich einem toten Känguruh zu nähern, welche tagtäglich überfahren und mitten auf der Strasse liegend zurückgelassen werden. In einer Art Reminiszenz an rituelle Handlungen streicht er mit der Hand über das tote Tier, um es schliesslich sorgsam aufzuheben und von der Strasse zu tragen. Die Arbeit ist von einer melancholischen Note geprägt. Man denkt an den Versuch einer Wiedergutmachung an den Lebewesen und am unwürdigen Umgang mit den Tieren dieses von Einwanderern eroberten Landes.
«Whatever kind of assault you can make on film material, I’ve done it», beschreibt Amy Granat ihre Methode, um die Möglichkeiten des Mediums Film in eine neue Dimension zu treiben. Filme aus Nachlässen oder auf Fohmärkten gefunden, dienen als Ausgangsmaterial, welches sie durchlöchert, mit Säure ätzt, zerschneidet, spiegelt, übereinanderlagert, ritzt usw. Die meist destruktiv anmutende Intervention erzeugt eine neue Sinnlichkeit. Die Verzerrungen, Unterbrechungen und rhythmischen Umformungen, meist gepaart mit dem gezielten Einsatz von Musik, erzeugen neue, nicht zuletzt an Malerei erinnernde Formen.
Die gesprayten Malereien von Renée Levi folgen dem gestischen, vom Zufall mitbestimmten Prinzip. Die Künstlerin setzt sich bei jedem Bild konzeptuelle Parameter wie Sprühdistanz, Spraydichte, Farbe, vordefinierte Strichgestaltung etc., welche dann für den Verlauf einer oder mehrerer Gestaltungseinheiten befolgt werden. Ist die Dose leer, endet auch der Strich. Er kann neu beginnen oder eine andere Formeinheit annehmen. Levis Werke hinterfragen die Wesenszüge von Malerei immer wieder aufs Neue, ebenso wie ihren Bezug zum jeweiligen Ort ihrer Aktion; sie sind offen gegenüber einem experimentellen und diskursiven Ansatz.
Elodie Pong gelingt in ihrem Video Je suis une bombe eine subtile, ironische Brechung hinsichtlich eines verbreiteten sexistischen Frauenbildes: Zu Beginn des Videos betritt eine Frau im Pandabärenkostüm die Szene und tanzt in eindeutigen, sexuell aufgeladenen Bewegungen um eine Tanzstange. Die Musik und der Tanz versprechen die Erfüllung sexueller Erwartungen. Alles scheint eindeutig, wäre da nicht das Pandabärenkostüm, welches die verführerischen Bewegungen zu plumpen, witzigen Parodien macht. Nach dem Verstummen der Musik legt die Tänzerin den Pandabärenkopf ab, verschnauft und läuft mit direktem Blick in die Kamera frontal auf den Betrachter zu, wobei sie unaufhörlich wiederholt, was für eine Sexbombe und wie sublim und perfekt sie sei. Das aus traditionell feministischer Sicht verstandene Feindbild der sich der Männerwelt darbietenden und verkaufenden Frau erfährt in diesem Werk eine Umdeutung.
Markus Schwanders neueste Werkreihe der Capriccios sind, wie ihr Titel bereits andeutet, lustvoll ironische, launenhafte Kleinplastiken. Gipsabgüsse von Vasen, Früchten und kleinen Alltagsobjekten mischen sich mit realen Gegenständen. Ob auf die Nicht-Farbe Weiss reduziert oder farbig besprüht, immer spielen die kleinen Plastiken mit der Phantasie der Betrachter. Sie erzählen von losgelösten kommunikativen Momenten des Menschen, in denen aus Überdruss das Übereinander- und Ineinanderstülpen von Gegenständen vollzogen wird, aber ebenso vom historischen, klassischen Stillleben. Das Verhältnis von Sockel zu Skulptur, ein kunsthistorisch bedeutendes Thema, welches vom Tragen und von Lasten und damit von Hierarchien handelt, verkehrt sich in Schwanders Capriccios zum verspielt ironischen Kommentar.
Gavin Turks in Bronze gegossenen Überreste eines abgegessenen Apfels kann nicht nur als verewigte ‹soziale Plastik› gelesen werden — da wir alle solche ‹erzeugen› —, sondern ebenso als räumliches Stillleben mit all seinen historischen Verweisen. Das Relikt des verspeisten Apfels findet sich meist in Abfalleimern oder an den Randzonen menschlicher Existenz. Es sind alltägliche Spuren menschlichen Abfalls und Teil des ewigen Prozesses von Werden und Vergehen.
Martin Walde konzipierte speziell für die Präsentation an der Liste — the young art fair die Edition Seidenpapier Madonna als Druck auf eine Seidenpapierrolle, welche ähnlich einer Rolle Verpackungspapier an die Wand montiert ist. Jedes Blatt zeigt eine Madonna, welche ein an Buddha erinnerndes Baby im Arm hält. Die Zeichnungen können einzeln abgetrennt, gerahmt oder auch zerknüllt werden, was die Zeichnung zu einer dreidimensionalen Papierskulptur modifiziert. Der Künstler lässt rezeptionistische Prozesse zu, und der künftige Besitzer entscheidet selbst, ob er ein Bild oder eine Skulptur kauft.