Markus Amm

28.4.  —
16.7.2017

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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Markus Amm, Untitled, 2017, Öl auf Kreideboard, 35 x 30 cm
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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler
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Markus Amm, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2017, Foto: Serge Hasenböhler

Erste grosse Überblicksausstellung des in Genf lebenden deutschen Künstlers Markus Amm in der Schweiz.

Markus Amms Gemälde sind eine Herausforderung. Eine Herausforderung daran, was wir imstande sind zu sehen und wie wir uns darauf einlassen können. Sie sind aber auch eine Herausforderung an unsere Sprachlichkeit… Man kann sich diese intensiven Momente im Atelier gut vorstellen — ein hoch konzentriertes Arbeiten, ja geradezu Umlauern des Künstlers um sein Werk, wie sich die verdünnte Ölfarbe, die Amm über die Gipstafeln fliessen lässt, in jedem einzelnen Augenblick verhält. Wie trocknen die Pigmente, wie reagieren die Farben im Zusammenspiel? Und wann muss umgehend eingegriffen werden, um ein zu rasches Trocknen der obersten Schicht sowie ein Aufplatzen der Oberflächenspannung zu vermeiden? Eine Korrektur ist bei diesem selbst gewählten hochkomplexen Verfahren nicht möglich. Korrigieren hiesse, die aufgetragene Farbe von den Untergründen abzuschleifen und den ganzen Prozess von Neuem beginnen zu lassen. Jeder Handgriff muss sitzen. Fast scheint es so, als würde Amm das Material und sich selbst bis an die Grenzen führen: Wie dünn kann die Acrylfarbe sein, ohne dass sie an Materialität und Leuchtkraft verliert, wie glatt können und müssen die Untergründe sein? Und wie rasch muss die Handbewegung des Künstlers bleiben, wann muss eingegriffen werden?

Markus Amm kennt keine Pausen. Das Material gibt vor, wann der Künstler den Malakt be- enden und das Atelier verlassen kann. Diesem körper- und zeitintensiven Vorgehen, der viele Tage, ja Wochen umfassen kann, folgt der Schritt des Verstehens, Begreifens und Sehens. Erst nach der Trocknungsphase der Farben schält sich allmählich auf der Oberfläche etwas heraus, was als Bild bezeichnet werden kann. Ähnlich einer Polaroidaufnahme steht zunächst der Künstler beim Machen, jedoch auch man selbst beim Betrachten der Gemälde in Erwartung davon, was sich nach und nach auf der Oberfläche zeigt.

Man ist geneigt, diese vom Künstler erreichte Umwandlung von reiner Materie wie Gesso, Leinwand, Acrylfarbe, Pigmente, Lösungs- und Bindemittel in eine Malerei, die eine erstaun- liche Seherfahrung ermöglicht, als alchemistischen Akt zu bezeichnen. Alle Mittel und Handgriffe sind benennbar und nachvollziehbar, und doch entzieht sich das Resultat dem klar Greifbaren. Markus Amms Gemälde öffnen und sträuben sich zugleich jeder allzu leichten Annäherung. Während sie an ihren Rändern grob anmuten, strahlt die Oberfläche eine erstaunliche Zartheit und Fragilität aus. Dieses Spannungsverhältnis und zugleich diese konstruktive Reibung, die weder dem Glatten noch dem Rauen den Vorrang lässt, entsprechen wesentlichen Merkmalen der Gemälde von Amm. Sie sind zugänglich, eindeutig und entziehen sich zugleich dem Fassbaren. Auch liegt es auf der Hand, dass der Künstler keine Form der Rahmung seiner Gemälde vorsieht. Sie würde eben jenes fruchtbare Aufeinandertreffen von Rand und Oberfläche, von Malerei und Objekt, von greifbar und transzendent verschleiern.

Was aber ist es, was sich hier vor uns präsentiert, und wie lässt es sich benennen? Seine Malerei verführt unser Auge dazu, Bilder zu sehen, die mehr in uns zu wirken scheinen und die sich in der Zeit der Betrachtung beständig ändern. Denn auch wenn wir meinen, Andeutungen von Figürlichem zu sehen, bilden die Gemälde von Markus Amm nichts ab und scheinen doch alles zu zeigen: den Träger, der ungerahmt, objekthaft vor der Wand montiert ist, das Nebeneinander und Ineinandergreifen von unterschiedlichen Farbverläufen, eine matte, sensibel auf einfallendes Licht reagierende Oberfläche. Es ist erstaunlich, wie die Gemälde — trotz ihrer bisweilen Kleinformatigkeit — eine Wand, ja einen ganzen Raum halten und zugleich mit einer eigenen Präsenz erfüllen können.

Eine Ausstellung mit Gemälden von Markus Amm muss denn auch alles andere sein als eine Werkpräsentation mit dem Versuch, die Arbeiten mithilfe von Kriterien wie Chronologie oder Themen zu sortieren. Eine Ausstellung mit Gemälden von Markus Amm, die selbst der Realität und nicht der Abstraktion oder Fiktion entspringen, muss die Realität selbst und auch die Eigenarten des jeweiligen Ausstellungsraumes miteinbeziehen. Die räumliche Disposition muss ebenso berücksichtigt werden wie das einwirkende Licht, ob von natürlicher oder künstlicher Quelle, sowie seine Veränderung in der Abfolge von Zeit. Erst im Zusammenspiel von Gemälden, Werknachbarschaften, Raum, Licht, Leere und der Präsenz des Betrachters kann eine Situation entstehen, in welcher die Arbeiten eine erstaunliche Wirkung ausstrahlen können. Gerade hierin liegt das Faszinierende der Gemälde von Markus Amm. Sie sind eine Einladung, eine Erfahrung zu machen, mit ihnen Zeit zu verbringen und sich der Gegenwärtigkeit des Augenblicks bewusst zu werden. Demjenigen, der sich darauf einlässt, ermöglichen sie eine gesteigerte Sensibilität und ein verfeinertes Sehen.
Text von Ines Goldbach
Auszug aus der Publikation zu Markus Amm

Die Ausstellung von Markus Amm wurde grosszügig unterstützt von den Partnern des Kunsthaus Baselland.

Parallel zur Einzelausstellung von Markus Amm waren jene von Piero Golia und Itziar Okariz im Kunsthaus Baselland zu sehen.

Kurator*in: Ines Goldbach