Raphael Linsi

Pump up pose down

28.1. —
18.3.2012

Linsi Raphael E 2012 1
Raphael Linsi, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Raphael Linsi, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Raphael Linsi, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012
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Raphael Linsi, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2012

Das Kunsthaus Baselland freut sich, die erste institutionelle Einzelausstellung des jungen Schweizer Künstlers Raphael Linsi (*1982 in Zürich) zu präsentieren. Der Künstler hat im Jahre 2010 mit dem Bachelor of Fine Arts an der FHNW/HGK Basel abgeschlossen. Linsi hat sich bereits mit dem Kuratorenkollektiv the forever ending story, welches er zusammen mit Tilman Schlevogt, Claudio Vogt und Pedro Wirz gründete, einen Namen in der Basler Kunstszene gemacht, ebenso wie mit seinem eigenen Projekt Lake&Only, das er seit 2011 betreibt. Seine Werke waren in Gruppenausstellungen u.a. in Basel, Zürich, Hamburg und Wien zu sehen. In seinen von konzeptuellen Überlegungen geprägten Skulpturen, Installationen, Malereien und Videos hinterfragt Raphael Linsi die Rolle des Künstlers, die Rahmen- und Produktionsbedingungen von Kunst, ebenso wie ihre Rezeptions- und Vermarktungsmechanismen. Seine Bachelor-Arbeit beispielsweise bestand aus einer Tätowierung, deren Wortlaut ‹Artist› von der Handschrift seines Mentors Prof. René Pulfer stammte. Ein Vertrag regelte die urheberrechtlichen Fragen zwischen den beiden, Schriftskizzen und Videoprints belegten den Produktionsprozess. Auch Silhouette (2010), ein in unlimitierter Auflage gemaltes Bild des Standardbildes für Facebook-User, bezeugt in charakteristischer Weise Linsis konzeptuelle Werkentwicklung. Das in der Tradition der Porträtmalerei stehende Bild hinterfragt in der Sujetwahl die Idee der Individualität des Porträtierten und bricht aufgrund der unlimitierten Auflage mit der traditionellen Vorstellung des gemalten Unikats.

Für seine Ausstellung im Kunsthaus Baselland fokussierte Linsi längere Zeit auf den Denkrahmen von Sport und Kunst. Das Kunsthaus Baselland mit seiner unmittelbaren Nachbarschaft zum Fussballstadion, zum Gartenbad, Vita Parcours und anderen sportlichen Einrichtungen waren Teil für diese Überlegungen. Der Titel pump up pose down entspringt konsequenterweise der gleichlautenden Bezeichnung aus den letzten zwei Phasen im Trainingszyklus der Bodybuilder, womit das Herausbilden der Muskeln und ihre zeitlich begrenzte Zur-Schau-Stellung umschrieben wird. Linsi zieht einen Vergleich zu den Ausstellungsabläufen, deren ‹pump up› den Produktionsprozess abseits der Öffentlichkeit und ‹pose down› die öffentlichen Abläufe während der Ausstellungsdauer bezeichnen. Die ursprünglichen Überlegungen sind in der Ausstellung nur noch rudimentär erfahrbar. So zeugen die vermeintlichen Sportleggings Zwei Legginz (2011), die in Zusammenarbeit mit der Designerin Stefanie Salzmann entstanden sind, von Überlegungen zum temporären Energieaufwand beim Sport mit dem Ziel, langfristig Energie zu sichern — ähnlich der künstlerischen Tätigkeit, die mit dem permanenten Konzipieren und Umsetzen von Werken eine langfristige künstlerische Kariere anstrebt.

Die skulpturale Installation Kollasche (2012) aus einer Vitrine aus Acrylglas und einen darauf abgestimmten Sockel bildet einen weiteren Schwerpunkt in der Ausstellung. Das Plexiglas hat der Künstler im städtischen Umfeld im Aussenraum gefunden, ausgewählt und für sich angeeignet. Zahlreiche Reste von gesprayten Linien, Graffitis und Tags haben darauf Spuren hinterlassen, die Linsi nun als visuelles Material für sich appropriiert und dieses zu einer Vitrine, die bereits selbst das Werk ist, umfunktioniert. Präsentiertes Werk und kunsthistorisch akzeptierte Repräsentationsform verschmelzen zu Einem. Die blaue Zahl ‹12›, die noch lesbar ist, verdeutlicht ihren Herkunftskontext und bringt diesen mit der FC Basel-Fangemeinde in Verbindung, die sich als ‹12. Mann im Spielfeld› betrachtet.

In der speziell für die Ausstellung konzipierten Reihe von Malereien, Ice Kold (2012) lotet Linsi das Verhältnis von Energieaufwand und dem Gelingen von Kunst aus. Minimale Gesten, in denen Materie und Farbe die Komposition der Malerei bestimmen, dominieren die minutiös, mit kleinem Pinsel grundierte Bildfläche. Auf der dabei entstandenen wolkenartigen Fläche wird der einzelne Farbklecks zur Miniatur-Skulptur. Jeder Eindruck des Pinsels wird zur bildhauerischen Geste, ein übriggebliebenes Pinselhaar zum bewussten konzeptuellen Entscheid. Linsis Gemälde sind ausgeklügelte Statements zur Malerei, die sich ihres Statements-Charakters bewusst sind, sie sind ein Zitat auf die grossen Gesten der kunsthistorischen Malerei. Dabei vereinen sich, wie dies Linsi formuliert «Dilettantismus und Klugscheisserei».

Wie ein roter Faden zieht sich ausserdem die Skulptur Syntaxtix (2012) durch die Ausstellung, die auf das Morse-Alphabet zurückgreift. Aus weissem Carara-Marmor gefräst bilden die einzelnen Skulpturen Buchstaben aus dreidimensionalen Strichen und Punkten. Sie repräsentieren ein sprachliches System, welches sowohl auf die Tradition der dauerhaften, klassischen Bildhauerei verweist, als auch auf ihre selbstreferentielle Sprachmöglichkeit, die mit sich selbst über sich selbst zu sprechen vermag, die Beherrschung des Morse-Alphabets vorausgesetzt. Die Malerei Copy Number 8 (2009) ist eine bei cool-arts.com bestellte Kopie von Jackson Pollocks Gemälde Number 8. Das detaillierte Abmalen eines Drip Paintings steht im Widerspruch zur gestischen Bildgeneration des Abstrakten Expressionismus. Linsi appropriiert die in Auftrag gegebene Kopie für sich und stellt neuerlich die Frage nach dem System Kunst.

In einer weiteren Kooperation mit dem Künstler Friedemann Heckel wird Raphael Linsi anlässlich der Vernissage die Intervention Juice und Architektur II durchführen. Dabei wird die Aussenfassade des Kunsthaus Baselland an ausgewählten Stellen mit ‹Hot Quick Bronze – Posing Gel› bearbeitet — eine wörtliches ‹pump up› mit temporär visuellen Folgen! Gestapelte Einladungsplakate verweisen auf Linsis kuratorische Tätigkeit, welche zwischen seiner Ausstellung im Kunsthaus Baselland und der von ihm gleichzeitig kuratierten Ausstellung von Giorgio Sadotti in der Galerie Lake&Only eine Verbindung zieht.
Text von Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl