Regionale 9

30.11.2008 —
4.1.2009

Was vor vielen Jahren als Weihnachtsausstellung begann, ist mittlerweile zu einem der grössten grenzüberschreitenden Projekte der Region Basel, Südbaden und Elsass geworden.

Vierzehn Institutionen haben sich zusammengeschlossen, um junge, zeitgenössische Kunst aus der Region zu präsentieren. Aus den über 600 eingereichten Bewerbungen hat jede Institution mit ihrer eigenen Jury eine Auswahl für die jeweilige Institution getroffen. Die Jury des Kunsthaus Baselland setzte sich zusammen aus Martina Siegwolf, Kunsthistorikerin, Basel und Sabine Schaschl, Direktorin Kunsthaus Baselland, Muttenz. Ausgewählt wurden 22 Positionen, die einerseits entweder den Bezug zu historischen Stilen und Epochen aufgreifen, diesen zeitgenössisch interpretieren und weiterentwickeln. Andererseits wiederum bilden Positionen, die sich einer räumlichen und architektonischen Konzeption verschreiben einen weiteren Schwerpunkt. Die grosszügige Präsentation der gezeigten Positionen hatte oberste Priorität.

KuratorIn: Sabine Schaschl

Alessandro Omar G 2008 1
Alessandro Omar, Liliaceae Parrot Tulip…, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Omar Alessandro (*1979) setzt sich in seinen Arbeiten vielfach mit Werken anderer Künstler oder auch mit vorgefundenen Text- und/oder Bildmaterialien auseinander, er überdenkt und kommentiert deren Konzeption aus dem Blickwinkel eines jungen Künstlers, der vor der Fülle an Werken arrivierter Künstlerkollegen, den diversen Meinungen der Kunstkritiker und den zahllosen Möglichkeiten des Kunstmachens steht. In Better than Bruce (20004/08) beispielsweise, appropriiert er eine Fotoserie des amerikanischen Künstlers Bruce Naumann und stellt gleichzeitig die Behauptung auf, dass seine besser sei als die Originale seines Künstlerkollegen. In Liliaceae Parrot Tulip… (2008) konzipiert er eine Fotografie, die sich visuell sowohl an Robert Mapplethorpes Blumenbilder anlehnt, als auch an Christopher Williams, der für seine kritische Auseinandersetzung mit Produktionsumständen und Wahrnehmungsdispositiven bekannt ist. Omar Alessandro bringt beide Konzeptions-ansätze zusammen und fragt erneut nach wahrnehmungsphänomenologischen und konzeptuellen Zusammenhängen. Untitled (He is a fac doll) (2007) hingegen zeigt eine manipulierte Ein-Dollar-Note, die gleichzeitig als Kommentar zur darin abgebildeten historischen Persönlichkeit gelesen werden kann.

Auf Der Maur Stefan G 2008 1
Stefan auf der Maur, Kuscheltierportraits, 2007/2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Stefan Auf der Maur (*1979) zeigt eine Serie von gemalten Kuscheltieren. Teddy, Affe, Hund, Katze und andere Stofftiere begleiten jeden von uns in den ersten Lebensjahren. Den Künstler interessierten die Stofftiere als Modelle, die wie ein menschliches Gegenüber funktionieren. Sie haben ihre eigene Lebensgeschichte, die sich auf den Gesichtern abzuzeichnen scheint.

Biedlingmaier Lisa G 2008 1
Lisa Biedlingmaier, Support Giorgia, 2004/2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Bei ihrem letzten Besuch in ihrem einstigen Heimatland Georgien begann Lisa Biedlingmaier (*1975) mit einer Serie von Texten, Fotografien und Erzählungen, die unter dem Titel Maschavera versuchen, das Bild eines Landes aufzuzeigen, das sich im ständigen Wandel befindet. Die Künstlerin bezog für diese Arbeit Erzählungen von Menschen mit ein, denen sie während ihrer Aufenthalte begegnete. Fragmente von realen Erlebnissen, Mythen, Legenden, Gerüchten und Klatsch treffen aufeinander und ergeben gesamthaft persönliche Stimmungsbilder eines fremden Landes. In der Ausstellung präsentiert die Künstlerin die Raum- und Musikinstallation Support Giorgia (2008) mit einem begehbaren Kleiderschrank, der es dem Besucher ermöglicht sich zurückzuziehen. Eine Wandtapete mit Rosenmuster und Trinkhörnern verweist auf die Rosenrevolution, bei welcher der aktuelle Präsident an die Macht kam.

Borer Renate G 2008 1
Renate Borer, Still Leben I, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Renata Borer (*1957) ist v.a. mit ihren Zeichnungen auf Papier und installativen Wandzeichnungen bekannt geworden. Wandreliefs, welche die Künstlerin mit transparenten Klebefolien auf Wänden in eine räumliche Zeichnung umsetzte,bilden eine Art Ausgangsbasis für Rauminstallationen, die in den letzten Jahren vermehrt ihr Schaffen bestimmen. Still Leben I (2008) zeigt eine fragil anmutende Installation aus am Boden liegenden Wachsfischen und –vögeln; die Tiere wirken schlafend oder tot, von der Realität entrückt, ergänzt durch Behausungen aus zusammengeschweisster, transparenter Plastikfolie. Die Motivwelt der Künstlerin greift immer wieder auf die Natur zurück, gleichzeitig erweitert sie das vorhandene Formenrepertoire mit erfundenen und kreiert dabei eine eigene Stimmungswelt.

Bungartz Regine G 2008 1
Regine Bungartz, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Regine Bungartz (*1971) beschäftigt sich in ihren Fotografien v.a. mit Raum- und Kompositionsfragen. In ihrer jüngsten Serie Raum — Handlungen untersucht die Künstlerin «das Zeigen und gleichzeitige Gestalten eines physischen Zustandes des Im-Raum-Seins. Allein die jeweilige Körperhaltung bildet Raum. Die Bildfigur ist aber auch – gleichgestellt mit anderen Bildgegenständen — ‹nur› Form auf der Bildfläche, durch die sich das ganze komponierte Zusammenspiel konstruiert. Dieses Spannungsverhältnis von apersonaler Figur als Bildobjekt im Kompositionszusammenhang und konkretem Gestalten und bedeutungsgebender Handlung ist Thema der Bilder.» (R. Bungartz)

Cavelti Urs G 2008 1
Urs Cavelti, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Arbeiten von Urs Cavelti (*1969) sind vor einigen Jahren noch durch eine bunte Sprayästhetik aufgefallen, die an Surf- und Snowboardstylings erinnern. In den jüngsten Zeichnungen arbeitet er zwar nach wie vor mit Spraydosen, nimmt jedoch die Farbigkeit zurück und setzt vermehrt die verschiedenen Möglichkeiten des Bleistifts ein. Fragmentarische Verästelungen und Stellen verdichteten Laubs fügen sich zu einer atmosphärischen Landschaft zusammen, welche kombiniert mit gesprayten Strahlen an lockeren lichtdurchfluteten Wald erinnern. Unter Urs Caveltis Inspirationsfelder fallen Naturbeobachtungen und die Auseinandersetzung mit Raum bzw. Raumerscheinungen, sowohl gezeichneter als auch dreidimensionaler. Wenn er sich in den letzten Jahren vermehrt mit Skulpturen und Installationen auseinandersetzt, so kommt der Künstler wieder einen Schritt seiner ursprünglichen künstlerischen Ausbildung (‹Räumliches Gestalten›) entgegen. Er verbindet die beiden Medien Zeichnung und Skulptur insofern, als er auch in seine aus verschiedenen Kuben assemblierte Skulptur Graphit einarbeitet. Er suggeriert damit verschiedene räumliche Atmosphären in einer bereits von ihrer Grundform her verschiedene Raumausrichtungen einnehmenden Skulptur.

Chiquet Fabian G 2008 1
Fabian Chiquet, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Fabian Chiquet (*1985) präsentiert die Klang- und Videoinstallation CityWalkDanceChoir. In einer einmaligen Aktion lud der Künstler am 2. September 2008 von 21 bis 22 Uhr ca. 50 Personen ein nach einer von ihm verfassten Komposition und Choreographie durch die Basler Innenstadt zu marschieren, singen und zu tanzen. Die Komposition besteht aus mehreren Songs mit einem jeweils vordefinierten Anfang und Ende. In die Gesamtkomposition baute Chiquet vier Intermezzi ein, die unter der Johanniterbrücke, auf der Mittleren Brücke, auf der Treppe von der Heuwaage zur Bollwerkpromenade und beim Bahnhofausgang aufgenommen wurden. Die Aktion diente als Grundlage der Installation, welche nunmehr in der Ausstellung in eine zeitlose ‹Bildform› überführt wurde.

Chotycki Corinne G 2008 1
Corinne Chotycki, Le Paravent, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Eine 2008 entstandene Bilderfolge in der ungewöhnlichen Form eines dreiteiligen Paravants präsentiert Corinne Chotycki (*1980). Die Malereien wurden als zwei individuelle Dreiergruppen konzipiert und können je nach Stellung der durch Scharniere verbundenen einzelnen Paneelen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, jedoch nie von beiden Seiten zugleich. Dem Werk, das nur durch die Bewegung des Betrachters erfahrbar ist, haftet ein bühnenhafter Charakter an. Die Motive selbst erinnern an Bühnenbilder. Wald, Gestirne oder Musikinstrumente — jedes einzelne Szenario trägt Fragmente einer Erzählung in sich.

Copa & Sordes (Eric Schmutz *1962 und Birgit Krueger *1967) zeigen mit ihrer Videoinstallation Gulli, 25.7.2008 einen Teil des Langzeitprojekts Brunnen. Seit 1999 dokumentieren sie den Brunnen am Wolkenhof (Murrhardt) zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten in Form von Videostilleben. Gull“ zeigt einen mit einem Gitter abgedeckten Schaft. Wasser rinnt und verschwindet irgendwo. Was zurück bleibt ist Sediment, Schlamm, Dreck, Verlorenes. Je nach Lichteinfall spiegelt die Wasseroberfläche die vorüberziehenden Wolken, ist transparent oder unergründlich schwarz. Das Video wird in Originalgrösse auf den Boden gebeamt.

Edens Saskia G 2008 1
Saskia Edens, Make-up, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Mit Dance macabre (2008) präsentiert Saskia Edens (*1975) eine Videoarbeit, welche die menschliche Existenz und ihre Vergänglichkeit thematisiert. Die Künstlerin tastet vor schwarzem Hintergrund ihre Knochen ab und malt nach und nach die Skelettstruktur des Körpers in schwarzer Farbe auf. Die Vertonung des Videos unterstreicht die zunehmende Zerbrechlichkeit des Körpers. Zum Abschluss präsentiert sie eine Art mexikanischen Totentanz, welcher der Sterblichkeit mit Humor die Stirn bietet. Die Videoinstallation Portrait de femme (2008) basiert auf dem gleichnamigen Bild der École de Fontainebleau, das im Kunstmuseum Basel zu sehen ist. Das Bildnis einer nackten Dame mit Perlenschmuck nimmt Saskia Edens zum Ausgangspunkt für ihre zeitgenössische, filmisch angelegte Nachinszenierung, bei welcher der Schmuck jedoch aus langsam schmelzendem Eis geformt ist. Die Videoarbeit thematisiert gleich einem memento mori die Vergänglichkeit von Schönheit und dem Leben überhaupt.

Ernst Esther G 2008 1
Esther Ernst, Ohne Titel, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Esther Ernst (*1977), die in den letzten Jahren v.a. mit Tagebuchzeichnungen eine Zeichnungssammlung erarbeitet hat, zeigt an der Regionale erstmals 13 Zeichnungen, die losgelöst von derartigen Ramenbedingungen entstanden. Hierzu griff sie auf Material zurück, welches sich in ihrem Alltagsleben angesammelt hatte, wie beispielsweise ein mit Blumen bedrucktes Geschenkpapier aus Italien, ein Foto mit der Vergrösserung eines Zeckenhinterteils, eine Anleitung zur traditionellen Ostereierbemalung etc. Diesem Material übergelagert ist zusätzlich eine Ebene alltäglicher Erlebnisse, Beobachtungen, Motive und Strukturen, die das tägliche Zeichnen begleiten. Für die Zeichnungen hat Esther Ernst das Angesammelte, dem eine Notizenhaftigkeit innewohnt, nebeneinander gestellt, ineinander verzahnt und übereinander geschichtet, ohne damit bestimmte narrative Absichten zu verbinden. Um es mit John Cage zu sagen: «Wir müssen das zusammentragen, was sich in einem zerstreuten Zustand befindet. Sobald wir es versuchen, werden wir erkennen, dass schon alles zusammenpasst. Die Dinge werden schon unabhängig von uns zusammengetragen; das einzige, was wir getan haben war, sie zu trennen.»

Grau Pascale G 2008 1
Pascal Grau, Un tout petit peu (Still), 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Pascale Grau (*1960) erzählt in ihrer Videoinstallation Un tout petit peu (2008) über Kopfhörer in einem essayistischen Erinnerungstext von ihren beiden Grossmüttern, während sie auf dem Monitor die beiden Grossmütter verkörpert. «Das Experiment, das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen sichtbar zu machen, endet in einer neuen Geschichte über mich und meine beiden Grossmütter», so die Künstlerin. Entstanden ist eine Mischung aus Film-, Theater- und Performancedokument.

Hartinger Andrea G 2008 1
Andrea Hartinger, Ohne Titel, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Andrea Hartinger (*1972) schafft in ihren Installationen und Objekten Situationen, die mehrdeutig sind. Anlässlich eines Stipendienaufenthaltes in Paris entstanden gepolsterte (Bild)Objekte, die mit barock anmutenden Stoffen bezogen sind. Das an eine Sitzbank erinnernde Objekt Ohne Titel (Monarchie) (2007) irritiert durch seine ‹Vielbeinigkeit›. Stuhlbeine verschiedener Ausgangsobjekte scheinen in der sprichwörtlich gepolsterten Oberschicht — der ‹Monarchie› vielleicht — einverleibt, weshalb das Objekt möglicherweise auf derart wackeligen Beinen steht. In der Installation Ohne Titel (2008) dreht sich eine Spieldose inmitten einer gepolsterten Wäschekiste, die, an die Wand montiert, nunmehr zum Bildträger wird. An sie angeschlossen sind Kabel, die zu mehreren Tortentellern führen, welche sich um ihre eigene Achse drehen. Andrea Hartinger lässt offen, wer oder was sich um was dreht. Ihre Installation steht vielleicht vielmehr für ein Drehen um sich selbst, ein Verharren am Ort, oder auch für das Aus-dem-Lot-geraten.

Hauri Thomas G 2008 1
Thomas Hauri, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Die grossformatigen Aquarellzeichnungen von Thomas Hauri (*1974) zeigen Konstruktionen von architektonischen Räumen, die sich trotz ihrer klaren Struktur immer wieder ins Undefinierte, Unbekannte hinein entwickeln. Seinen Architektur-und Raumandeutungen ist trotz Exaktheit und kompositioneller Bestimmtheit etwas Ungreifbares eigen — er aquarelliert wie ein Architekt, dessen gedankliche Überlegungen beim Entwurfsprozess zur Form werden. Hauri arbeitet hauptsächlich mit Schwarz/Weiss-Nuancen und setzt selten farbige Akzente, was die Prozesshaftigkeit seiner Arbeiten zusätzlich unterstreicht.

Herzog Dunja G 2008 1
Dunja Herzog, Regarding Pain, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Dunja Herzogs (*1976) 36teilige Druck-Serie auf Büttenpapier Regarding Pain (2008) vereint eine Titelauswahl von Goyas Los Desastres de la Guerra von 1810/20 mit dem Titel eines der wichtigsten theoretischen Standardwerke zur Kriegsfotografie: das Buch Regarding the Pain of Others von Susan Sonntag. Die Serie ist durch zwei übereinander gelagerte gedruckte Prägungen charkaterisiert: Die leere Fläche repräsentiert die kleinste Normgrösse von Papierfotos (9 x 13 cm ) und darüber ist die Prägung mit den jeweiligen Titelzitaten gelegt. Dunja Herzog setzt sich in ihrer Arbeit mit den mannigfaltigsten Bilderzeugnissen von Kriegen auseinander: Von Goyas schauerlich, schönen Drucken bis hin zur gegenwärtigen Bilderflut, die Gewalt und Elend zum Thema hat, setzt sie sich theoretisch ebenso mit der visuellen Kriegsberichterstattung auseinander. «Die Leere, welche Goyas Aussagen in meiner Arbeit betiteln, steht symbolisch für die Fülle von erschreckenden und unverständlichen Bildern, die wir heute in uns tragen. Es braucht nicht noch mehr Bilder, sondern Raum diese zu verdauen. Die Titel, welche aus ihrem Kontext genommen wurden, und nun eine Leere betiteln, schaffen es neue Bilder zu erzeugen. Diese zeigen uns nicht zwangsläufig das Leid anderer, sondern nehmen Bezug zu Persönlichem, allgemein Politischem oder Fiktivem», schreibt die Künstlerin.

Kuratle Anita G 2008 1
Anita Kuratle, Bild mit drei Häusern, Nr. 1, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Anita Kuratle (*1967) beschäftigt sich in ihrem Werk hauptsächlich mit Wahrnehmungsphänomenen, die über das rein visuelle Erlebnis hinausgehen. In ihrer Reliefinstallation werden drei geometrische Objekte so installiert, das sie zusammen eine Hochhauszeile ergeben. Kuratle bezieht die Licht- und Schattenmodellierung in ihre Installation ein und schafft mit perspektivischen Verkürzungen Bilder, die zwischen gegenständlichen und abstrakten Erscheinungen schwanken. Indem die Künstlerin die Massstäblichkeit des Gewohnten verschiebt und die Perspektiven verfremdet, schafft sie Irritationen, welche uns das Sehen neu lehren.

Meier Barbara G 2008 1
Barbara Meier, My space, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Eine ortsspezifische Installation entwickelte Barbara Meier (*1974) für die normalerweise unbeachtete Nische im Kunsthaus Baselland zwischen Treppe ins UG und anschliessender Wand, betitelt mit Myspace. In Anlehnung an die Internet-Kontaktplattform definiert die Künstlerin ihren Platz im realen Raum des Ausstellungshauses. Sie eignet sich den knappen Raum mit mehreren zwischen die beiden Wände gespannten Schalungsstützen aus dem Baugewerbe an. Die klobigen Metallstützen sind ein unübersehbares Raum schaffendes Statement. Mit dem Titel weist die Künstlerin auch auf die heute permanent eingeforderte Selbst-inszenierungen hin, ohne die man in der heutigen Gesellschaft keine Beachtung mehr zu finden scheint.

Minder Oliver G 2008 1
Oliver Minder, Ohne Titel, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Mit handelsüblicher Grill-Kohle hat Oliver Minder (*1980) eine raumfüllende Zeichnung direkt auf die Wand gebracht. Riesige, rhythmisch von oben nach unten verlaufende, schwarz-bräunliche Stränge breiten sich über die gesamte Fläche aus. Am Boden bildet der herabgefallene Restkohlestaub eine samtige schwarze Fläche, welcher — ähnlich einem Sockel — die Funktion des Distanz-Schaffens zukommt. Die Arbeit zeichnet sich durch ihre starke physische Wirkung aus: der Betrachter scheint den Kopf angesichts der schwarzen Masse einziehen zu wollen. Das Medium Kohle evoziert Erinnerungen an Barbecues und weist nicht zuletzt auf verbrannte Wälder und zerstörte Umwelt hin.

Rechsteiner Monika G 2008 1
Monika Rechsteiner, Tawisupleba, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Mit dem Auftrag, ein Archiv für zeitgenössische Kunst aus Georgien, Aserbaidschan und Armenien aufzubauen, reiste Monika Rechsteiner (*1971) in den letzten zwei Jahren mehrmals nach Georgien. Als ein Resultat dieses Unterfangens kann die an der Regionale gezeigte Arbeit Tawisupleba gelesen werden. Aus über 1800 Fotografien, die während ihrer Aufenthalte entstanden, wählte sie deren 56 aus, die mithilfe des Computerprogramms Photoshop zu einem digitalem Panoramabild vereint wurden. Das, was wir als Film wahrnehmen, ist in Wirklichkeit eine Fotomontage. Die Künstlerin integrierte darin auch Gespräche mit Kunstschaffenden, Kuratoren und Kritikern, welche vom Kunstmachen in Georgien, von Politik und Gesellschaft erzählen. Tawisupleba präsentiert sich als Film-Essay mit dokumentarischen, journalistischen und soziopolitischen Bezügen. Wir finden ein facettenreiches Stimmungsbild des gegewärtigen Georgien.

Setola Sandro G 2008 1
Sandro Setola, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Der holländisch/belgische Künstler Sandro Setola (*1976) ist derzeit Stipendiat der iaab-Austauschateliers der Christoph Merian-Stiftung. Ihn faszinieren Naturprozesse und -phänomene wie Abspaltung, Ausdehnung, Transformation, Wachstum und Zerfall, welche er — wie er selbst sagt — auf poetisch persönliche, manchmal zynisch/humoristische Weise interpretiere. Die präsentierten Kohle- und Kreidezeichnungen zeigen beispielsweise ein Beachhouse, dessen Form von einer Muschel inspiriert ist. Die Detail- und Innenansichten zeigen oft überdimensionierte Behausungen ohne irgendein Lebewesen. Wie in einer Fiktion zeigt Setola eine Momentaufnahme, die alleine von der Phantasie des Rezipienten weitergeführt werden kann. Auch seine Film- und Videoprojektion zeigen Raumfindungsprozesse auf, einmal in gezeichneter Form anhand eines animierten Skizzenbuches, ein anderes Mal mittels einer vermeintlichen Kameraführung durch eine nicht zu lokalisierende Architektur.

Wiesinger Telemach G 2008 1
Telemach Wiesinger, Passage (Still), 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Der 16 mm-Film „Passage“ (s/w, DVD Projektion, ohne Ton, 2008) von Telemach Wiesinger (*1968) ist einerseits eine subjektive Reiseerzählung des Autors, andererseits eine Dokumentation über bewegliche Brücken. Wiesinger bereiste Hafengebiete in ganz Europa und in den USA, um historische Dreh- und Hebebrücken ebenso wie die letzten Luftkissenboote oder gigantischen Schiffshebewerke mit Filmbildern aufzuschreiben. Viele Meisterwerke der Brückenarchitektur aus der rund ein Jahrhundert alten Glanzzeit der Schiffs- und Eisenbahnkonstruktion sind heute der Demontage oder dem Verfall preisgegeben. Diese technischen Dinosaurier sind Dokument und Sinnbild für Wiesingers zeitlose Reisephantasien.

Wyss Simone G 2008 1
Simone Wyss, Spuren des Alltags, 2008, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2008, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Inkjet Plots von Simone Wyss (*1977) sind fotografische Spuren des Alltags, wie die Künstlerin ihre drei Serien betitelt. Die mehrteilige Bildinstallation zeigt drei Alltagsportraits, welche von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Geschlecht und Alter erzählen. Die festgehaltenen Alltagssituationen rufen vertraute Erinnerungen hervor, gleichzeitig eröffnen sie auch neue Bildwelten. «In unserem Leben hinterlassen wir unbemerkt Spuren von Handlungen, die als Gewohnheiten oder Rituale in unserem Tagesablauf verankert sind. […] Mich interessierte besonders das private Umfeld, in dem sich der Mensch vertraut und ritualisiert verhält», so die Künstlerin.