Russell Maltz
3.10.
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22.11.1998
Accu-Flo
…«Eine spröde Sinnlichkeit geht von diesem Signallager aus, dessen Widerschein bis hoch zu den Stahlträgern reicht», schreibt Ralf Beil in der Neuen Zürcher Zeitung zur Ausstellung von Russell Maltz. Accu-Flo wurde von der Städtischen Galerie in Backnang übernommen, in Muttenz um einge Exponate ergänzt und von hier an den Kunstverein in Dortmund weitergegeben.
Es ist eine einfache Arbeit, die Russell Maltz tut, eine Arbeit, die sich weitestgehend selbst erklärt. Der Künstler ist Maler und seine Arbeit geht aus vom Denken über das Bild. Die Gestaltungsmittel sind klar definiert: der Träger, die Farbbeschichtung, die Platzierung der einzelnen Tafeln, die Art und Weise ihrer Vernetzung im Raum — das Lager ist Prinzip. Ganz ähnlich im übrigen, wie es zum Beispiel Irni Knoebel mit seinen Räumen thematisiert, im Sinne eines vorübergehenden, provisorischen oder vorbehaltlich eingerichteten Standorts nämlich. Die Anordnung der Teile ist, abhängig zwar von den räumlichen Vorgaben, immer auch momentbezogen und veränderbar. Die Bewegung des Werdens, die Markus Brüderlin für Knoebels Lagerungen geltend macht, und die sich wesentlich durch die Wahrnehmungsbewegung der Beschauer manifestiert, kann auf die Arbeiten von Russell Maltz übertragen werden. Wie der Beschauer auf die Arbeiten reagiert, so wie er sich vor ihnen selbst bewegt, verändert sich die ganze Situation immer wieder, permanent. Das nomadisch Wandernde ist einer der Beweggründe von Russell Maltz (so Ralph Melcher in einem Typoskript), die gesteigerte sinnliche Erfahrung, das Akkumulieren von Energie und das Einrichten energetischer Potentiale sind weitere. Zweifellos ist das Landschaftliche eine Konstante von Accu-Flo. Durch das Legen, Stellen, Schichten oder Stapeln der Holzlatten, -platten oder Bretter wird stets Bezug genommen auf einen Horizont, an dem auch ein Beschauer sich orientiert. Die lakonische These des Künstlers, «workzviewer» (Werk ist Betrachter), überzeichnet diesen Aspekt sowie die Bedeutung jener Bewegung, die sich als ein System von Unterschieden und verschiedenen Konstellationen zeigt. Auch verrät der Künstler etwas über die Verwendung von Materialien in unserer Gesellschaft, darüber, wie «rohe Stoffe» auf Erfüllungsnormen hin konfektioniert, als Bestandteil unseres Alltags funktionieren können. Holz und Farbe. In entropisch abnehmender Linie werden Bäume zu Holzlatten verarbeitet, die gebündelt, skulpturaler Träger und Oberfläche für die Farbe, als zweitem Material, werden können. Material auf Material, Farbe als neue Oberfläche, Farbe in der Qualität der Transformation. Das Raue des Trägers deckt Russell Maltz durch das Farbmaterial ab und überführt es in einheitlich geschlossene Oberflächen, deren Farbigkeit das Ganze ins Sublime steigert. Die Materialien erhalten eine Qualität, die über ihre profanen Funktionen, zum Beispiel als Konstruktionslatten für Wände, hinausgeht.
Accu-Flo ist als ein reisendes, sich verschiedenen Orten einpassendes Projekt konzipiert und in einer Ausstellungsreihe gleichen Titels eingebettet, die 1994 in New York ihren Anfang nahm. Die Idee zu Accu-Flo entwickelte sich aus einer Einladung an den Künstler, für die Akademie der Künste, Berlin, eine ortsspezifische Arbeit zu realisieren. Im Glasgang des Gebäudes installierte Russell Maltz zwei Riesenformate aus zusammengefügten Tischlerplatten, jeweils beschichtet mit einem Farbbalken aus fluoreszierendem Orangerot. Die tageslichtleuchtende Signalfarbe wurde zum vereinheitlichenden Faktor, ja zur Signatur der Ausstellungsreihe, die 1995 Station machte im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, 1996 in Otterndorf und 1997 in der Galerie Michael Sturm, in Stuttgart. Alle diese Projekte bereiteten unsere Ausstellungen in Backnang, Muttenz und Dortmund vor.
Text von Andreas Baur