Regionale 6

27.11.2005  —
1.1.2006

What began many years ago as a Christmas show, has since become one of the largest cross-border projects in the region Basel, South Baden and Alsace. There are now more than a dozen institutions in the tri-national area that provide an exhibition opportunity for regional artists of all ages.

From the many applications to choose from, each institution selects its range of artistic works, and develops its own exhibition concept for the respective Regionale exhibition. The Regionale is thus not simply a reflection of the creative potential of the region and its cultural diversity, but also a platform for the trans-border exchange between artists, cultural institutions and audiences interested in the arts.

KuratorIn: Sabine Schaschl-Cooper

Adamo Céline G 2005 2
Céline Adamo, Sol de peinture, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Seit dem Jahre 2001 beschäftigt sich Céline Adamo mit dem Werkkomplex Sol de peinture, einer Malereiserie, welche sie je nach den örtlichen Gegebenheiten installiert. Ausgehend von Malereiprozessen, in denen die Lackfarbe ihre vom Farbauftrag, von der Schwerkraft und dem Zufall geprägten Bahnen und Verläufe einnimmt, entstehen zahlreiche, verschiedenförmige Blätter. Im Kunsthaus Baselland breitet sie eine Reihe solcher Blätter am Boden aus und installiert diese um die Säulen herum.

Ade Jürgen G 2005 1
Jürgen Ade, Ohne Titel, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Jürgen Ade zeigt anlässlich der Regionale ein Boden-Objekt aus der Werkreihe Neue Realität aus Fragmenten des Bekannten. Dabei hat er ein gefundenes Holzobjekt mit einer Autolack-Oberfläche entfremdet und vereinzelte Teile mit Nagellack bemalt. Ein zusätzlich aufgesetztes Bleikristall verleiht dem Objekt ein ‹alienhaftes› Aussehen. Das Natur-Bekannte wird dabei zum Künstlich-Verfremdeten.

Aeberli Matthias G 2005 1
Matthias Aeberli, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Matthias Aeberli ist Maler, Zeichner, Fotograf und arbeitet mit computerisierten Bildern. In letzter Zeit ist auch eine Reihe von Batiken in Abbind-Technik entstanden, die ebenso wie die anderen von ihm verwendeten Medien ein andauerndes Verflechten verschiedenster Ideen und Anregungen zum Ausdruck bringen. Verschiedene, wiederkehrende Motive durchziehen sein Schaffen: Ein gestreifter Vorhang — dessen Enden sich kräuseln — und der an den Zirkus erinnert, künstliche, stilisierte Pinien- bzw. Baumelemente, die sowohl in der Renaissance-Malerei als auch in gegenwärtigen Architekturmodellen zu finden sind, comicartige Gesichter, die aus Kinder-Büchern oder –Filmen zu stammen scheinen, Spielzeugenten auf Rollen, Eiformen, Hunde- und Pferdegestalten, pflanzliche Elemente, die aus der einen oder anderen Linie herausragen und immer wieder linienartige Signete, die auf ihre Logo-Tauglichkeit überprüft werden. In seinen Bildkompositionen verwebt Aeberli die einzelnen Elemente, lässt sie ineinander übergehen, deutet das eine oder andere Motiv an, oder isoliert es in einem räumlichen Gefüge aus Farben und Linien.

Arsic Zorana G 2005 1
Zorana Arsic, Serbokroatisch 1—4, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Zorana Arsics Malerei-Serie Serbokroatisch ist ein politisches Statement, welches die spannungsgeladene gesellschaftspolitische Situation zwischen Serben und Kroaten seit dem letzten Balkankrieg versinnbildlicht. Aufgeladen mit Symbolen, die sowohl Serbisches als auch Kroatisches verdeutlichen, entzweit sich das ethnisch gemischte Paar in einem für derart zusammengefügte Familien typischen Interieur mehr und mehr, bis zum Moment, wo nur noch die Leere übrigbleibt.

Baier Jörg G 2005 1
Jörg Baier, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Jörg Baiers grossformatige Buntstift- und Grafitzeichnungen sind Inszenierungen ausgedachter ‹Natürlichkeit›: Bäume, spiegelnde Wasserflächen, Felsen, Baumstümpfe, Wasserfälle u. a. kennzeichnen die Motivik. Als Vorlagen für seine Landschaftskompositionen verwendet Baier Bildausschnitte und Details von Bildern von u. a. Altdorfer, Fragonard, Watteau oder Ernst. Die Fragmente werden zu neuartigen, manchmal psychedelisch wirkenden Kompositionen zusammengefügt. Spezielle Effekte erreicht der Künstler mittels Einsatz von Frottagen diverser vorgefundener Alltagsobjekte, wie beispielsweise Blechplatten, Tapeten oder städtische Abflussdeckel. Die pastellige Farbigkeit gibt seinen streng konstruierten Zeichnungen jenen Touch von Irrealität, welche die Zeichnungen in die Nähe von Kulissen rückt.

Bechtel Laurent G 2005 1
Laurent Bechtel, Le Dormeur, 2002—2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Laurent Bechtel lotet in seinen Arbeiten die Grenzen des Sichtbaren/Unsichtbaren aus. Die Arbeit Dormeur spielt mit der Idee des Verlassenen, des Weggeschobenen. Die Zeichnung einer schlafenden Figur hängt beiläufig in einer Ecke und wird lediglich durch das unscheinbare Licht einer Taschenlampe, die immer wieder mit Batterien neu geladen werden muss, angeleuchtet und so ins Blickfeld des Betrachters gerückt. Die Präsenz des Werks hängt von der Aufmerksamkeit des Betrachters ab.

Blank Andreas G 2005 1
Andreas Blank, Ohne Titel, 2004, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Andreas Blanks bildhauerische Arbeiten sind Versatzstücke aus Geschichten, die an Theaterszenerien erinnern. Ein Paar Männerschuhe aus Stein und ein Aktenkoffer aus Aluminium initiieren mit der Umgebung einen Dialog, welcher von jener stark mitbestimmt wird. Die Abwesenheit des Mannes, dessen Schuhe und Aktenkoffer scheinbar verlassen im Raum stehe, lässt Raum für individuelle Geschichten, die im Kopf des Betrachters entstehen können. In einer weiteren Installation, die eine Bürosituation mit Schreibtisch und Papierstapel präsentiert, liegen zerknüllte Papierblätter aus Marmor herum. Auch hier spielt die Materialität eine wichtige Rolle, indem sie den einsam entrückten Moment der Inszenierung zusätzlich verfremdet.

Brunner Rolf G 2005 1
Rolf Brunner, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Die Tradition des Kantons Baselland, dass bei Ausscheiden eines Regierungsrates jener die Möglichkeit hat, einen Maler auszuwählen, welcher von ihm ein Porträt anfertigt, zeigt sich in der Arbeit von Rolf Brunner. Sein Porträt vom ehemaligen Regierungsrat Peter Schmid ist eine Auftragsarbeit und in all ihren Vorstufen, den Vorzeichnungen und Experimenten dargestellt. Interessant ist es sicherlich, nebst der künstlerischen Umsetzung, auch den Stellenwert heutiger Auftragskunst im Vergleich zur historischen zu diskutieren.

Burger Stefan G 2005 2
Stefan Burger, Sprungbrett, 2002/2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Zwei Hauptthemen stehen im Vordergrund der Arbeiten von Stefan Burger: Zum einen ist die permanente Auseinandersetzung mit Fotografie, ihrer Herkunft, Entwicklung und heutigen Bedeutung ein wiederkehrendes Moment in seinen Arbeiten, zum anderen sind der Ausstellungsbetrieb und seine spezifischen Bedingungen immer wieder Anlass, diesen zu hinterfragen. Wenn beispielsweise eine Plakatwand auf Rollen, auf welcher das komplette fotografische Equipement abgebildet ist und die Schrift auffordert «Bitte nicht rausrollen, möchte auch an der Ausstellung mitmachen», so meint Burger ebenso die Fotografie an sich, die einen oft individuellen Stellenwert im Ausstellungsbetrieb besitzt, wie auch das Kunstwerk per se, welches gerade im Rahmen einer Juryausstellung, wie der Regionale, für sein Dabeisein plädiert. Auch die auf Karton geklebte Fotografie eines am Sprungbrett hängenden Mannes spielt mit der Idee von Auf- und Abstieg im Kunstbetrieb (Ohne Titel, aus dem Werkkomplex Exhibitschön / Dankschön).

Buri Samuel G 2005 1
Samuel Buri, Familienporträt, 2002, photo: Kunsthaus Baselland

Ebenso wie Rolf Brunner zeigt auch Samuel Buri ein Auftragswerk, welches das Porträt einer texanisch-schweizerischen Familie wiedergibt. Buri hat sowohl in Dallas als auch in Basel daran gezeichnet und gemalt und fing ein farbenfrohes Ambiente mit Einflüssen beider Länder ein.

Freymond Guth Jean Claude G 2005 1
Jean-Claude Freymond-Guth, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Unter dem Titel I was here konfrontiert Jean-Claude Freymond-Guth jeweils gezeichnete Bildebenen, die einem aus den Jahren 1979—2004 stammenden Weltpressephoto entspringen mit einer in Glas geritzten Musiktextebene,welche die Titel der jeweiligen Pop Charts Hits derselben Jahre wiedergeben. Er verortet das Thema des Erinnerns und Vergessens vor dem Hintergrund seiner eigenen, persönlichen Biographie. Das gleichzeitige Erleben von Zeit anhand einer persönlichen und einer weltgeschichtlichen Ebene und die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Zeit spielen in seinem Werk eine grosse Rolle. Die jeweiligen Pop Charts Songs charakterisieren das Lebensgefühl eines bestimmten Jahres ebenso wie das World Press Photo einen ganz spezifischen Moment im Geschehen eines Jahres herausgreift. Freymond-Guth vereint diese beiden Ebenen, auch wenn dabei manchmal absurde Kombinationen zutage kommen, wie das Foto eines verwundeten Flüchtlings aus dem Kosovo Krieg mit der Konfrontation des Pop Charts Hits Hit me baby one more time beweist. Für den Künstler stehen die Fragen nach dem Was, welches von einer Zeit übrig bleibt im Vergleich mit dem Erleben seiner eigenen Zeit im Vordergrund. Jean-Claude Freymond-Guth ist der Träger des diesjährigen Basellandschaftlichen Kantonalbanks Kunstpreises während der Regionale 6.

Göttin Daniel G 2005 3
Daniel Göttin, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Daniel Göttin verbindet in seiner ortsspezifischen Arbeit das balkonartige Zwischengeschoss des Kunsthaus Baselland mit dem Eingangsbereich im Erdgeschoss und spannt architektonisch Getrenntes etwas näher zusammen. Ausgehend von diamantartigen, geometrischen Formationen durchzieht eine Netzstruktur die Wände, wovon die eine wiederum Platz bietet für lackierte Diamant-Objekte aus MDF-Material. Mathematisch durchgerechnet, immer wieder aus verschiedenen Perspektiven überlegt und mit Wiederholung, Fragmenten und Teilelementen und Variationen arbeitend, erforscht Göttin die räumlichen Gegebenheiten bis in das kleinste Detail und entwickelt daraus ein inhärentes, sich genuin aus sich selbst erklärendes System.

Gross Lucas G 2005 1
Lucas Gross, Strahlenroboter Aitu, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Der Mensch unter dem Einfluss von neuen Technologien und wiederum ihr Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen ist ein Hauptforschungsfeld von Lucas Gross. Sein Strahlenroboter Aitu, der während der Ausstellung im UG so lange herumfährt bis er anstösst und dann wieder umdreht, reagiert auf Handystrahlung. Diese elektromagnetischen Strahlen macht der Roboter mittels eines Schneegestöbers aus Styroporkugeln sichtbar. Bei geringer Belastung ist der visuelle und akustische Sturm gering, bei hoher wirbelt und stürmt es umso mehr. In einer zweiten Arbeit fokussiert Gross auf das bewusste Wahrnehmen eines interaktiven, fiktiven Wachsens von Unterwasser- und Grünpflanzen, Blumen und diversen Fabelwesen. Awakin, eine interaktive begehbare Installation löst bei jedem Schritt andere Wachstumsreaktionen aus, welche das visuelle Ereignis ständig erneuern.

Hagenbach Andreas G 2005
Andreas Hagenbach, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

In Wintertime Living is Easy, heisst die letzte Fotoserie von Andreas Hagenbach, die er im Kunsthaus Baselland erstmals vorstellt. Entstanden während eines Artist in Residence Aufenthaltes in Finnland im Jahre 2005, sind die Photos grösstenteils von Momenten der Stille, des An- und Innehaltens geprägt. Die Fotos konzentrieren sich stilistisch häufig um eine Idee der Mitte, die den Moment der Ruhe zusätzlich unterstützt.

Serge Hasenböhlers neueste, seit Anfang 2005 entstandene Fotografien tragen den Titel Unter den Bäumen. Der Zauber von Waldspaziergängen, das teilweise märchenhafte auch phantasievolle Übersteuern der Gedanken, in denen sich die Realität mit den freilaufenden Gedanken paaren, kommt in seinen Bildern zum Ausdruck. Intime Momente, wie das Festhalten eines Falkens, einer Schnecke oder des bewegten Treibens eines Ameisenhaufens setzen den Fokus auf Details, das Kleine, das leicht Übersehbare. Die Lichterscheinungen appellieren an Übersinnliches, wobei das Gewöhnliche nochmals zum Ungewöhnlichen wird.

Herzog Y Dunja G 2005
Dunja Herzog, Made-in Wearing the world, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Dunja Herzog zeigt im Kunsthaus Baselland ein an ihren Körpermassen orientiertes Kleidungsstück, welches zur Gänze aus Etiketten genäht ist. Was einerseits als Information für Pflegehinweise gelesen werden kann, ist andererseits für viele ein kratzendes Übel. Made in — Wearing the World, so der Titel der Arbeit, spricht nebst einer politischen Komponente auch den Aspekt des Recycelns an. Durch die bewusste Formgebung gibt Dunja Herzog dem scheinbar Wertlosen eine neue Gewichtung und Zuordnung.

Indra G 2005 1
indra., Les banlieues du climatic spa, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

In ihren Wandarbeiten, Skizzen, Zeichnungen und Malereien verknüpft Indra. eine Reihe unterschiedlichster und oft konträrer Sachverhalte aus diversen Lebensbereichen zu einem Crossover-Gebilde. In Les banlieues du climatic spa entnimmt sie die ‹Nachtmahr›-Szene aus dem gleichnamigen Füssli Gemälde, ergänzt das Pferd zu einem Einhorn, setzt der Szenerie eine Malerei mit chinesischer Frau in einem Art Zauberwald gegenüber und fügt der Gesamtkomposition Zeichnungen in der Art eines Rorschach-Tests bei. Die Künstlerin schreibt dazu: «Ausgehend vom Streben nach den abstrakten Idealen (Glück) konkretisieren sich durch empirische Erkenntnisprozesse, bzw. einer Diffusion der Wahrnehmung des im-Leben-begriffenen fortlaufende Problemstellungs- sowie Problemlösungsversuche als Bildkumuli.»

Jung Yeun Jang G 2005 1
Jung-Yeun Jang, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Jung-Yeun Jangs Malereien sind häufig geprägt von Motiven kesser, selbstsicherer Frauen, die den Betrachtern selbstbewusst ins Auge blicken, sie verführerisch in den Bann ziehen oder schlichtweg sich selbst sind. Die Bilder stehen in einem interessanten Wechselverhältnis zur fotografischen Vorlage, die meist aus Magazinen stammt. Frauen beim Baden, Unterwäschemodels beim Karaoke-Gesang, Kussmünder, die für Lippenstift werben könnten usw. Alle diese Motive sind lediglich eine Art Ausgangs-Alibi (Bernard Marcadé) für die Malerei, in der die Künstlerin den Fokus nochmals auf spezifische Gesten und Szenerien legt und auch manches von der Vorlage weglässt. Es ist nicht die Realität, welche die Künstlerin interessiert, sondern vielmehr das Abbild davon. Im fotografischen Bild der Wirklichkeit liegt sehr viel Fiktion und eben jene Rückübersetzung in die Malerei, interessiert die Künstlerin, die nicht mit der Fotografie im Sinne eines photorealistischen oder hyperrealistischen Ansatzes konkurriert.

Wie eine Art überdimensionierte Hutschachtel bzw. Schmuckkästchen präsentiert sich die Objekt-Installation Below Surface von Silvan Kälin. Der weisse Porzellan Inhalt des schwarzen Samtbehälters lässt auf den ersten Blick an Hirnwindungen oder das Innere einer Nussschale denken. Erst bei genauerer Betrachtung erkennt man eine Taucherin mit Taucherbrille und langem gewellten Haaren, die inmitten der vermeintlichen Seeoberfläche aus Samt versinkt. Ihre Existenz ist in einem kurzen Moment festgehalten: Gleich taucht sie ab ins Imaginäre und kann zumindest in der Kunstrealität doch nicht ihrem Gefängnis-Behälter entfliehen. Der Motivausschnitt, den Kälin gewählt hat, kurbelt die Phantasie der Betrachter an und Erinnerungen an Alice im Wunderland kommen hoch.

Mathis Muda Zwick Sus G 2005 1
Muda Mathis + Sus Zwick, Carte postale sonore, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Muda Mathis + Sus Zwick präsentieren im Kunsthaus Baselland mit dem Video Cartes postales sonores laut ihrer Selbstbeschreibung: «Ein kleines musikalisches Video grosser Reisen rund um den halben Erdball. Wir wählen kleine menschliche Szenen, spektakuläre und unspektakuläre Impressionen aus: Ulan Bator, Montreal, Fresleren, Bretagne, New York, Village-Neuf, Listvjanka, Irkutsk, Barcelona, Brno, Liestal, Kiew, Furkapass, Peking, Piran. Die Bilder kommen zusammen wie ein Bund Postkarten und zeigen eine Verschiedenheit und Gleichheit der Welt.»

Mobiles Kino G 2005 1
Mobiles Kino, Giga Bites Back, 2005, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Die Installation von MOBILESKINO (David Pfluger, Gilbert Engelhard, Florian Olloz, Roland Schmidt) erinnert an eine Kinokassenszenerie, an der Tickets gekauft und gleichzeitig Filmtrailers für kommende Filme betrachtet werden können. Mobiles Kino arbeitet an GIGA BITES BACK seit 2003. Im Filmausschnitt wird eine fiktive Geschichte geschildert, wie sie für einen B-Movie in den 60er Jahren geschrieben sein könnte: «In einem Labor für semibiotische Technologie forscht ein böser Professor an der Bio-Matrix GIGA. Sie soll in den menschlichen Körper eindringen und dort Krankheiten vernichten. Doch der Professor hat natürlich ganz andere Absichten; er will die Matrix nutzen, um Roboter zu züchten. Als das Experiment nahezu abgeschlossen ist, ereignet sich im Labor ein fataler Unfall und GIGA befällt das Stromnetz einer verschlafenen Kleinstadt …». Die Installation zeigt nebst dem Video von Filmausschnitten auch mehrere Lobby-Cards und die Hauptpersonen in ihren Tätigkeiten in Kartonwerbetafeln. Das Telefon in der Installation ist das Gerät zur Pixelisierung: «You will all pixelize» lautet die Message von der bösen Matrix, die gleichzeitig die Betrachter auffordert, sich auf das Spiel der Pixelisierung einzulassen.

Papadopoulos Alexia 2005 1
Alexia Papadopoulos, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Die Malereien von Alexia Papadopoulos beschäftigen sich mit der Ästhetik der 50er Jahre. Die Künstlerin greift das in jener Zeit über die Medien vermittelte, allzu simplifizierte Verhältnis zwischen Mann und Frau und ihren gegenseitigen Erwartungen auf. Damals ging es häufig um «Partnervermittlung, Enthaltsamkeit vor der Ehe und Schwangerschaftsabbruch bei einer Affäre», sagt die Künstlerin und greift drei Lebensprozesse in ihren drei Malereien auf. Drei Jungfrauen suchen Märchenprinzen, Du wirst mich am roten Hut erkennen und Ich will, dass Du abtreibst lauten die Titel der Bilder, welche Geschichten assoziieren können — im Verbund aller drei Bilder zusammen oder auch einzeln.

Peer Leta G 2005 1
Leta Peer, Landschaften 1—1, 2002, installation view Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Leta Peer schreibt zu ihren Arbeiten: «Malerei kommt aufgrund einer Begegnung zustande. Einer Begegnung zwischen Modell und Künstler und spricht immer von der Intensität der Begegnung. Meine Modelle sind die Unterengadiner Dolomiten. Eine Landschaft, die mich als erster Grosseindruck von Natur prägte und mir sowohl als Erfahrung, wie auch in Form von Fotografien, die ich selber anfertigte, als Arbeitsgrundlage zur Verfügung steht.»

Zivkovic Andreas G 2005 1
Andreas Zivkovic, Sonja und ich, 2005, photo: Kunsthaus Baselland

Ein intimes Porträt zweier sich nahe stehender Personen präsentiert Andreas Zivkovic. Sonja und ich, so der Titel dieser Auseinandersetzung mit einem schicksalsprägenden Unfall. Die aus diesen Umständen resultierende Freundschaft zeigt eine Auseinandersetzung von aussen nach innen. Gezeichnet in einer überdimensionierten Grösse, wird die Beziehung dieser beiden Personen zum Betrachter hin geöffnet. Er sieht sie an, sie den Betrachter. Wir werden unweigerlich in die Beziehung mit einbezogen.

Balz Raz G 2005 2
Balz Raz, Die Filmtagebücher (detail), 2002—2004, photo: Kunsthaus Baselland

Die Filmtagebücher von Balz Raz entstehen kontinuierlich seit dem Jahre 1972. Aufnahmen von Wolken, Bahnhöfen, Wasser, Schatten, Blumen, Treppen, Bäumen, Schienen, Strassen und Menschen wechseln sich im Rhythmus von 18 Bildern pro Sekunde ab. Farbig und SW-Filmmaterial wurde auf Super 8 gefilmt und als einziges Geräusch ist jenes eines Projektors zu hören.

Cleis Martin G 2005 3
Martin Cleis, Baustelle 05-11-26, installation views Kunsthaus Baselland 2005, photo: Kunsthaus Baselland

SURPRISE Seit nunmehr fünf Jahren führt das Kunsthaus Baselland anlässlich seiner Beteiligung an der Regionale eine so genannte Surprise durch. Die Idee zur Surprise entstand aus dem Wunsch, auch jene Räume für Kunst nutzbar zu machen, die üblicherweise aufgrund finanzieller, technischer und zeitlicher Restriktionen, nicht bespielt werden können. Der Aussenraum, die Hofzone vor dem Eingang gehören ebenso dazu, wie die Fassade des Kunsthaus Baselland sowie die im Winter nicht beheizbare Shedhalle. Nachdem dieses konzeptuell und organisatorisch sehr aufwändige Unterfangen einer langfristigen Planung bedarf, wird die Surprise seit ihren Anfängen als einzige Position innerhalb der Regionale-Ausstellung im Kunsthaus Baselland von der künstlerischen Leitung selbst ausgewählt.

In diesem Jahr fiel die Wahl zum Surprise Künstler auf den 1946 in Basel geborenen und in Arlesheim lebenden Martin Cleis, der nebst seinen Malereien und ortsspezifischen Malerei-Interventionen vor allem durch seine mit der Symbolsprache von Baustellen agierenden Installationen bekannt geworden ist. Rot-weiss-rote Absperrbänder und ebensolche Latten gehören zu den allerorts bekannten Sicherungsmaterialien jener Reparatur- und Umgestaltungsplätze, die uns für eine bestimmte Zeitdauer die üblichen Geh- und Blickwege versperren und dazu beitragen, dass sich die Stadt und ihr Erscheinungsbild ständig verändern.

Wenn Martin Cleis die Bildsprache der Baustellen aufgreift, so interessieren ihn nebst den skulpturalen Möglichkeiten des signalfarbenen Materials vor allem dessen sozio-psychologische Aspekte: Mittels rot-weiss-roter Bänder und Latten wird von einer allseits akzeptierten Obrigkeit der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass bestimmte Zonen ein- bzw. ausgegrenzt sind. Diese Wahrnehmung ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass den vorgegebenen Anweisungen blind Folge geleistet wird. Das Material selbst thematisiert in sich gesellschaftliche Ordnungsverhältnisse und eine Beziehung zwischen Regierenden und Regierten.

Der Künstler setzt seine Installationen im öffentlichen Raum oft wie Zeichen ein, welche aus der Seiten- oder Vogelperspektive betrachtet, labyrinthartige oder geometrische Formationen ergeben. Manchmal werden gezielte Gehrichtungen geschaffen, ein andermal Gewohntes in verunsichernder Form arrangiert — immer jedoch mit dem Ziel vor Augen, den Passanten ein bewusstes Hinschauen und Hinterfragen abzugewinnen. Dass dieses Vorhaben oft von der vom Material ausgehenden ‹Autorität› selbst gebremst wird, nimmt der Künstler bewusst in Kauf. Auch wenn Cleis‘ Interventionen als vermeintlich ‹städtische Auftragsarbeiten› gelesen werden können, ist es die Hinterfragung und Störung jener imperativen Zeichen zusammen mit künstlerischen Fragestellungen, um die das Interesse des Künstlers kreist. Anlässlich der Surprise im Kunsthaus Baselland wird Martin Cleis eine Installation und Intervention im Vorhof gestalten und erstmals im grossen Rahmen seine neueste Videoarbeit Feuerwasser zeigen.