Regionale 8

24.11. —
30.12.2007

Die Regionale wächst weiter. Was vor vielen Jahren als Basler Weihnachtsausstellung begann, ist heute ein grenzüberschreitender Anlass für junge, zeitgenössische Kunst aus unserer Dreiländer-Region. Es sind mittlerweile 14 Institutionen — acht aus der Region Basel, vier aus Südbaden und zwei aus dem Elsass —, welche regionalen Kunstschaffenden aller Altersgruppen eine Ausstellungsmöglichkeit bieten. Aus den über 600 eingereichten Bewerbungen wurden über 250 Werke ausgewählt. Die Regionale ist somit nicht nur Spiegel für das schöpferische Potenzial unserer Region und ihrer kulturellen Diversität, sondern auch Plattform für den grenzüberschreitenden Austausch zwischen Kunstschaffenden, Kulturinstitutionen und kunstinteressiertem Publikum.

KuratorIn: Sabine Schaschl

Astrachan Nava G 2007 1
Nava Astrachan, Earthly Delights 1 + 2, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Nava Astrachan (*1974), in Israel lebende Schweizerin und ehemalige Meisterschülerin an der Akademie für Bildende Künste Karlsruhe bei Prof. Franz Ackermann, verwendet in den zwei Porträts Earthly Delights 1 und Earthly Delights 2 eine klassische Bildsprache. Vor dramatischem Hintergrund mit dunklen Sturmwolken und aufgewühltem Meer steht ein junger Mann, dessen Inneres möglicherweise ebenso aufgewühlt ist wie die an Gemälde von William Turner erinnernde Landschaft. Im Gegensatz zum Hintergrund, präsentiert sich der Jüngling ruhig und hält auch seinen Hund locker an der Leine. Sein Blick gilt dem ihn Betrachtenden. Das Pendant zu diesem Porträt zeigt eine junge Frau, deren blonden Locken wie bei Botticellis Venus um die nackten Schultern fliessen. Die Unschuld trügt, entsteigt diese Venus doch keineswegs der Muschel, sondern einem gefährlich anmutenden Untergrund aus fleischfressenden Pflanzen, deren violett bis kardinalrote Stängel das rote Samtkleid der Dame umzüngeln. Mit den jeweiligen Hintergrundslandschaften bedient die Künstlerin Klischeevorstellungen romantisch verklärter Sehnsüchte, wie sie mit Erfolg auch in heutigen Marketingstrategien Anwendung finden.

Beck Daniela G 2007 1
Daniela Beck, Humanized, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Humanizer: «Generell versteht man unter Humanizer [Vermenschlicher] jeglichen Effekt, der die sog. kalte Elektronik angeblich menschlicher macht. Dazu gehören z.B. künstlich erzeugte Rhythmusschwankungen». (Musiklexikon) Mit dem Titel Humanizer bezeichnet Daniela Beck (*1971) ihr spezifisches Vorgehen beim Zeichnen mit Farbstift ohne jegliche Vorlage oder Projektion von Hand direkt auf den Bildträger. Dies impliziert eine ‹Ungenauigkeit›, welche jedoch gerade den Reiz ihrer sehr räumlich wirkenden Netzstrukturen ausmacht. Wie beim geschriebenen Text beginnt die Künstlerin in einer Ecke links oben und hört rechts unten auf. Im Verlauf des Zeichnens werden die unvermeidlichen, minimalen Abweichungen immer grösser und unkontrollierbarer bis zu einer spürbaren Verselbständigung, welche die Betrachter als etwas Räumliches wahrnehmen. Die zweidimensionale Zeichnung ‹hebt ab›, wird zum räumlichen Erlebnis.

Bechtel Sabine G 2007 1
Sabine Bechtel, Ohne Titel, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Ebenso dem Porträt, jedoch mit einem anderen Medium, geht Sabine Bechtel (*1979) in ihrer zehnteiligen Foto-Serie auf den Grund. Die porträtierten Männer — bis auf einen alle im klassischen Halbprofil — wurden vor demselben neutralen dunklen Hintergrund fotografiert. Daraus entstand eine Serie, welche an eine Ahnengalerie der Renaissance denken lässt. Den Blick der Besucher lenkt die Künstlerin auf die Gesichtspartie, welche aufgrund des starken Hell-Dunkel-Kontrastes die individuellen Züge der Porträtierten hervortreten lässt. Trotz würdevoller Inszenierung wirken die Personen verletzlich. Die Künstlerin verleiht dem sich durch die gesamte Kunstgeschichte hindurchziehenden Thema ‹Porträt› aufgrund des Mediums und der Art seiner Anwendung eine eigenständige Aktualität.

Eriksson Lena G 2007 1
Lena Eriksson, Ein Tag im Leben von Lena Eriksson, subjektiv und objektiv, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Die in Visp/Wallis geborene und seit 1998 in Basel lebende Lena Eriksson (*1971) greift in vielen ihrer Arbeiten auf ihr persönliches Umfeld zurück. Lodypop, beispielsweise, ist ein von der Künstlerin organisierter freier Off-Space im Basler St. Johann-Quartier. Speziell für die Regionale 8 produziert sie eine Serie mit dem Titel Ein Tag im Leben von Lena Eriksson, subjektiv und objektiv, in welcher die Künstlerin den 11.09.2007 von morgens bis abends stündlich fotografisch festhält. Der mittlerweile als dunkler Tag in der Menschheitsgeschichte eingegangene 11. September (2001) bildet eine historische Demarkationslinie, die im Gegensatz zu den alltäglichen, persönlichen Erlebnissen der Künstlerin steht. Vom Aufstehen in der Früh, dem Blick aus dem Fenster, beim Jogging oder dem Gang zur Post, bis hin zum spontanen Beisammensein mit Freunden, gewährt uns die Künstlerin Einblicke in einen Tag ihres Lebens. Die entstandenen Fotos übersetzt die Künstlerin in Zeichnungen, die in Aquarell-Technik weiterverarbeitet werden.

Grossenbacher Bettina G 2007 1
Bettina Grossenbacher, Weil ich dich anschaue, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Arbeiten Bettina Grossenbachers (*1960) sind subtile Protokolle zwischenmenschlicher (Paar-)Beziehungen. In ihrer Video-Arbeit Achtung & Verachtung wird der Betrachter Zeuge eines Konflikts zwischen einem jungen Paar in einem eng begrenzten Hotelzimmer. Die anonyme zweckmässige Zimmermöblierung lässt wenig physischen Bewegungsspielraum zu, ebenso scheint sich der Dialog des Paares ‹im Kreis zu drehen›. Durch die von der Künstlerin kreierte Installierung eines transparenten Vorhangs wird der Betrachter zum Voyeur und heimlichen Beobachter der auf der Stelle tretenden Auseinandersetzung zwischen den beobachteten Protagonisten.

Geidans Indra G 2007 1
Indra Geidans, Little red dress, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Die australisch/litauische Doppelbürgerin und derzeitige iaab-Stipendiatin in Basel, Indra Geidans (*1963), betreibt in ihrer Malerei eine Spurensuche zu menschlichen Abgründen, welche bei den Betrachtern ambivalente Gefühle auszulösen vermögen. Wir blicken beispielsweise auf einen am Boden liegenden weiblichen Körper; von der daneben stehenden männlichen Person sind lediglich die Schuhe erkennbar. Eine Geschichte wird angedeutet, dem Betrachter bleibt es, sie zu Ende zu imaginieren.

Gisler Pia G 2007 1
Pia Gisler, un deux-mondes, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland, Foto: Kunsthaus Baselland

Mit auf den ersten Blick unscheinbaren Gebrauchsmaterialien arbeitet Pia Gisler (*1959) in ihren Installationen schon seit längerer Zeit. Sei es mit zu Blütenrosetten modifizierten alten Regenschirmen, sei es mit gefundenen Küchenboden-oder Badezimmer-Fliesen, gebrauchten Reissäcken oder Plastiktaschen, die zu einer zeltartigen Raumkonstruktion verwoben werden. Die Künstlerin kann auf ein komplexes Oeuvre verweisen, das immer wieder auf sinnliche und alltägliche Erfahrungen ihrer Reisen in die Länder Afrikas rekurriert. In ihrer Installation un deux-mondes konstruiert die Künstlerin eine Behausung aus Holzpaletten, die Unterschlupf für Einblicke in ihre künstlerische Welt gewährt. Gisler verknüpft in zwei Diaprojektionen fotografische Ausschnitte ihrer Werkdokumentationen mit Fotos ihrer Reisen: Das Zusammentreffen ihres künstlerischen Werkansatzes, welcher einfache Materialien und die Zeichnungs- und Gestaltungsmöglichkeiten damit immer wieder erforscht, mit Stimmungsbildern aus Afrika, kreieren eine inhaltliche Wechselbeziehung zwischen Einflussmomenten und künstlerischer Umsetzung. Was immer zuerst vorhanden war, Stimmungseindrücke aus einer anderen Kultur oder ihr Werkansatz, un deux-mondes knüpft und collagiert es zusammen.

Hobi Remo G 2007 1
Remo Hobi, Tattoo, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Für seine Wandmalereien wählt der Basler Remo Hobi (*1960) spezielle Situationen in bestehenden architektonischen Innenräumen, wie beispielsweise jene in den Gästezimmern des Hotels Castell in Zuoz. Das angewandte Vokabular seiner malerischen Eingriffe — Fläche, Raute, Linie — macht charakteristische Gebäudeteile überhaupt erst sichtbar. Im Kunsthaus Baselland wählte Hobi die normalerweise der flüchtigen alltäglichen Wahrnehmung entzogene bauliche Situation über dem Empfangsbereich. Seine friesartige Wandmalerei Tattoo akzentuiert den spezifischen Ort und holt ihn aus seiner Anonymität hervor. Mit seinen malerischen Interventionen gelingt es dem Künstler, die einer vordergründig unscheinbaren Situation inhärente Qualität augenfällig zu machen.

Jang Jung Yeun G 2007 1
Jung-Yeun Jang, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Ölbilder der gebürtigen Koreanerin Jung-Yeun Jang (*1966) sind häufig geprägt von Motiven kesser, selbstsicherer Frauen, die den Betrachtern selbstbewusst ins Auge blicken, sie verführerisch in den Bann ziehen oder sie schlicht an der Intimität des Dargestellten teilhaben lassen. Die Bilder stehen in einem interessanten Wechselverhältnis zu fotografischen Vorlagen, die meist aus Magazinen, Filmen oder aus dem privaten Fotofundus stammen. Frauen denen ein Missgeschick zu geschehen scheint und die mit kaputter Sonnenbrille aus dem Bild lachen, eine Momentaufnahme und gleichzeitig Selbstbildnis der Künstlerin mit ihrem Sohn oder Innenräume voller Sinnlichkeit in Form von Ornament, üppiger Blumenpracht und Goldglanz umschreiben die motivische Bandbreite der Malereien. Alle diese Motive sind lediglich eine Art Ausgangs-Alibi (Bernard Marcadé) für die Malerei, in der die Künstlerin den Fokus nochmals auf spezifische Gesten und Szenerien legt und auch manches von der Vorlage weglässt. Es ist weniger die Realität, welche die Künstlerin interessiert, sondern vielmehr deren Abbild. In der fotografisch abgelichteten Wirklichkeit liegt sehr viel Fiktion; es ist präzise jene Rückübersetzung in die Malerei, welche die Künstlerin fasziniert, die sie aber nicht in Konkurrenz setzt mit der Fotografie im Sinne eines photorealistischen oder hyperrealistischen Ansatzes.

Kofler Lotti G 2007 1
Lotti Kofler, Landscape I, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Baslerin Lotti Kofler (*1948) arbeitet in vielen Techniken: Fotografie, Malerei, Installation, Zeichnung etc. Die Jury des Kunsthaus Baselland wählte für die Regionale-Ausstellung die grossformatige Fotografie Landscape I aus, welche charakteristisch scheint für die Bildwelt der Künstlerin: Natur, Wasser, Licht. Obwohl technisch eine Fotografie, wirkt das Werk wie eine gemalte Landschaft mit haarfeinen Gräsern auf einer Wasseroberfläche in allen Schattierungen von Dunkelgrün bis Gelb. Koflers Interesse gilt der fernöstlichen Kalligraphie und Philosophie, deren Ästhetik in ihre Bilder einfliesst.

Marinov Antoanetta G 2007 1
Antoanetta Marinov, Fast, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Die an der Karlsruher Akademie ausgebildete Italienerin Antoanetta Marinov (*1971), Meisterschülerin von Silvia Bächli, präsentiert mit der Objektinstallation Fast die Verhältnisfrage von Sockel zu Skulptur in einem Miniaturformat. Auf einem gefundenen Stück Schaumstoff arrangiert die Künstlerin wiederum Gefundenes: ein Zigarettenstummel, ein schwarzer Kronkorken, ein rosafarbiges Textilstück, ein blauer Plastikring, kleine Stäbe und ein horizontal platziertes Aststück. Überbleibsel des Alltags werden dabei zur Skulptur, Beiläufiges zum Vordergründigen. Ein Foto dieses Arrangements, separat vom Objekt platziert, wirkt als Verdoppelung des Gesehenen und lässt den Rezipienten kurz an seiner Seherinnerung zweifeln. Ebenso reagiert die Künstlerin auf die jeweils vorgefundenen Ausstellungsräume. Im Kunsthaus Baselland fiel ihr Blick auf den architektonisch dominierenden Treppenbereich. Im Massstab 1:1 baut sie eine Treppenstufe nach, welche gleich einem Ruinenrelikt nahe des Treppenabsatzes im Untergeschoss platziert ist. Auch im Video, welches die Künstlerin im Raumschlitz zwischen Treppenabgang und Ausstellungskoje präsentiert, wird das Alltägliche zum Dargestellten: Eine Fahrradtour vermittelt das Fahrgefühl und zeigt eine Perspektive, die nur allzu sehr erahnen lässt, wie sich die Bewegung anfühlt. Das Erlebnis von Strasse trifft dabei auf das Bodenerlebnis im White Cube.

Forscherdrang vermag die Installation Hirngespinst von Yvonne Mueller (*1973) zu wecken, welche einlädt, ins Innere der Erde zu schauen. Ein Blick in diese uns meist verborgene Welt eröffnet sich dem Besucher jedoch nur, wenn er den Kopf in eine tunnelartige, auf dem Boden platzierte Röhre steckt, an deren Ende das Video mit dem fiktiven Höhlengang abläuft. Die nicht eindeutig lesbare Form der Röhre macht neugierig, gleichzeitig verstärkt das physische sich Hinunterbeugen zum relativ eng bemessenen Tunnel- bzw. Höhleneingang ein klaustrophobisches Gefühl des sich Einlassens auf eine unbekannte, nicht durchschaubare Situation. Die Künstlerin schafft es geschickt, das Hin- und Hergerissensein der BesucherInnen für ihre Arbeit zu instrumentalisieren. Auch die Fotografie Goldzimmer zeigt eine räumlich eingeengte Situation, wobei die Goldfarbe an den Wänden und das Selbstporträt der Künstlerin im historischen Gewand an die Szene einer gefangenen Prinzessin erinnert.

Eine raumfüllende Videoinstallation mit dem Titel When nothing happens inszeniert Florine Leoni Münger (*1980) im rechten Galerie-Raum des KHBL. Die Absolventin der Hochschule für Kunst und Gestaltung, Luzern, installiert Aufnahmen von alltäglichen Handlungen dreier verschiedener Personen gekoppelt mit einer spezifischen, von Faye Shapiro kreierten Tonspur. Beim Begehen der Installation werden die Betrachter in das spezielle Ambiente eines scheinbar der Wirklichkeit entrückten Raumes einbezogen.

Murr Angela G 2007 1
Angela Murr, Travellog, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Während eines Aufenthaltes in Tel Aviv, zeichnete die in Deutschland geborene und aufgewachsene Angela Murr (*1974) ihre Stadtrundgänge mittels GPS-Tracker und fotografischen Schnappschüssen auf, um das Material zu ihrem ganz persönlichen Stadtplan zusammenzufügen. Travellog 07 / Tel Aviv ist das Ergebnis dieser urbanen Erforschung, welche die Künstlerin mittels Klebeband direkt auf die Wand appliziert und an den entsprechenden Stellen mit ihren Fotos dokumentiert. Ergänzt wird die Installation mit grösser formatigen Fotos und einem Videoclip. Das Arrangement Murrs verdeutlicht einerseits den persönlichen, andererseits den aufgrund historischer Ereignisse geprägten Blick der Künstlerin.

Renaud Marc G 2007 1
Marc Renaud, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Fotograf Marc Renaud (*1969) in seiner Fotoprojekt Pause (2005—2007). Auf welche Art und Weise regenerieren sich Personen, wenn sie eine Pause einschalten. Renaud wählte dafür bekannte Arbeitsfelder wie Spitäler, Strassenunterhalt, Bau, Transportgewerbe, Kultur, Sport etc. aus, um die Menschen bei ihrer ganz persönlichen, durch ihre Tätigkeit mitgeprägten Form der Siesta zu fotografieren. Der Bauarbeiter beispielsweise wandelt das Brett um in sein vorübergehendes Ruhelager; der Chauffeur macht es sich auf seinem Fahrersitz mit hoch gelagerten, blossen Füssen bequem; mit Tageszeitung und Mineralwasserflasche sitzt der Flachmaler auf einem zum Hocker mutierten Farbkübel etc. Aus der anonymen Arbeitswelt tritt während der meist kurz bemessenen Ruhepause die individuelle Person zutage.

Roethlisberger Comenius G 2007 1
Comenius Roethlisberger, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Comenius Roethlisberger (*1971) arbeitet seit einiger Zeit an einem Projekt Tätowierte Fotografie (=Arbeitstitel), anhand dessen er die Themen Identität, Identifikation, Kommunikation und Vergänglichkeit beleuchtet. Belichtetes Fotopapier verhält sich wie lebende Haut: einmal belichtet, ist das Motiv gleich einer Tätowierung für immer gespeichert. Wie Roethlisberger schreibt erhält das Fotopapier als Material eine eigene Identität und das Fotosujet identifiziert sich mit dem Tattoo. In der Regionale 8 präsentiert Roethlisberger eine Reihe von Arbeitsskizzen — v.a. Tierbilder, Menschen und Autos, welche einen Blick auf den Stand seiner Forschungsarbeit zeigen.

Rikli Maya G 2007 1
Maya Rikli, The Opening, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Einen humorvollen Blick auf den Kunstbetrieb, insbesondere bei Vernissagen, wirft Maya Rikli (*1958) in ihrer Installation The Opening. Die BesucherInnen betreten den Ausstellungsraum über einen als ‹Walk of fame› am Boden ausgelegten, Glamour verströmenden roten Teppich, der allen Eintretenden zu ihrem persönlichen VIP-Auftritt verhilft. Die Teppichspur führt direkt zum Monitor, wo die Künstlerin mit Playmobil-Figuren eine Vernissage auf DVD inszenierte. Gesprächsfetzen von Small Talk sind einerseits akustisch zu hören und gleichzeitig in Stummfilmmanier zwischen den Bildern small talkender, flanierender Playmobil-Gästen eingeblendet. Nicht zuletzt eine Referenz an Warhols hellsichtiges Statement von 1968 «In the future everyone will be famous for fifteen minutes?».

Das Künstlerduo Schär & Spillmann arbeitet seit dem Jahr 2000 an Gemeinschaftsprojekten. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen künstlerische Arbeiten, bei denen Raum- und Zeiterfahrungen bzw. –Verschiebungen zum Tragen kommen. Oftmals nehmen ihre Arbeiten Bezug auf Spuren, Erinnerungen und Sehnsüchte, die aus Beobachtungen des unscheinbar und scheinbar Nebensächlichen hervorkommen. Die Arbeit o.T. (ohne Treffer) erinnert beispielsweise an einen Jägerhochsitz, der zum Beobachten und Zielen auf Wild konzipiert ist. Die Verlagerung eines solchen Objektes in den Ausstellungsraum verschiebt dessen ursprüngliche Bedeutung, ebenso wie die Definition des Raumes.

Schick Eva G 2007 1
Eva Schick, Wolfspool, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Eva Schick (*1971) inszeniert eine Rauminstallation, welche die BetrachterInnen in die Welt der Märchen oder der Phantasie eintauchen lässt. In einem dunklen Raum befindet sich ein fluoreszierend leuchtendes Bett, über das hinweg die Spuren eines Wolfes laufen. Den Wänden entlang verteilen sich Silhouetten von Wölfen und Wolfsgeheul ist zu hören. Zwischen Angst und dem Wunsch sie zu bezwingen, ebenso wie zwischen Traum und Realität schwankt der Eindruck, den die Installation hervorruft. Folgt man den auf Bett und Boden verteilten Wolfsspuren, ergibt sich eine Art surreale Tatortsituation. Die Künstlerin schreibt: «Der installierte Raum eröffnet dem Betrachter unterschiedliche Zeitebenen. Die eine ist bestimmt von Bett, Boden und Spuren als Indikator für Vergangenes, die andere steht für sukzessiv eingefrorene Bewegungsmomente der einzelnen Wölfe, die dritte — Verlauf der Spuren bzw. die Laufrichtung des Rudels — weist in die Zukunft Der Wolf als Tier, in seiner Silhouette, ist hier zu lesen als Hieroglyphe menschlicher Daseinsform und als Metapher für Unbewusstes im Sinne einer Vergangenheitsbewältigung oder Zukunftsvision.»

Schmidhalter Hagar G 2007 1
Hagar Schmidhalter, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Hagar Schmidhalters (*1968) mediale Bandbreite umfasst Zeichnungen, Malereien, Collagen ebenso wie Fotografie und Installationen. Ihr Herangehen an den Schaffensprozess wird sowohl von orts-, genre- wie auch materialspezifischen Überlegungen bestimmt und umgesetzt. In ihrer Installation im Kunsthaus Baselland arrangiert sie aus Resthölzern und Platten eine geometrisch-abstrakte, räumliche Bildkomposition, die gleichsam Werk und Träger bzw. eine Art Sockel für ihre darauf platzierte übermalte Fotografie darstellt. Schmidhalter lotet die Kompositionsverfahren der Moderne aus und hinterfragt ihre vermeintlich ewige Gültigkeit.

Steiner Bruno G 2007 1
Bruno Steiner, Nest, 2007, Still, Foto: Kunsthaus Baselland

Die Animation Nest von Bruno Steiner (*1970) stellt eine persönliche Auseinandersetzung mit der Idee von Rückzug und Öffnung dar. Steiner zeigt die Ambivalenz von ‹sich zurückziehen wollen› und ‹Offenheit bewahren wollen› mit feinen Unterschieden in der animierten Zeichnung auf: die Geschlossenheit der Kreisform trifft dabei auf vereinzelte bis mehrheitliche Zackenöffnungen. Die Tonspur ist aus einem einzigen Geräusch, jedoch in unterschiedlichen Tonhöhen produziert.

Emanuel Strässle (*1964) präsentiert die Skulptur ceci n’est pas une citrouille, die in ihrer Massstäblichkeit und ihrem Volumen speziell auf die Raumsituation einwirkt. Die orange Kugelform aus Gewebeplane, die lediglich durch ein Gebläse in Form gehalten wird, wirkt auf das Raumempfinden der Betrachter ein. Der schwarze, zweidimensionale Kreis, der an einer an die Skulptur angrenzenden Wand angebracht ist, nimmt die Funktion eines optischen Gegenraumes ein und wirkt gleichsam der Hohlform der Skulptur entgegen. Strässles Inszenierung der Skulptur und Wandfläche nimmt Bezug auf René Margrittes Gemälde la chambre d’écoute, das einen raumfüllenden Apfel zeigt.

Streit Erika G 2007 1
Erika Streit, Yarn, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

In ihrer Wandinstallation inszeniert Erika Streit (*1951) eine Art Gedicht in Bildern. Das Kommen und Gehen von Schiffen aller Grössen inspirierte die Künstlerin zu einem Bildarrangement aus gezeichneten und in Klebestreifen angebrachten Schiffsformationen. Die gedankliche Reise, welche die Schiffe begleitet, die Frage nach ihrem Ziel und den während der Fahrt erlebten Abenteuern sind ihnen eingeschrieben und waren der Ausgangspunkt für Streits Installation.

Tremblay Bruno G 2007 1
Bruno Tremblay, Cabinet de Curiosités Project - Fragment, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Bruno Tremblay (*1969) beschäftigt sich mit der Frage nach der Bedeutung und Qualität von Medien. Im Internet gefundene Bilder, die für ihn Teil eines weltweiten Repertoires visueller Codes sind, isoliert er aus dem ursprünglichen Kontext heraus und übersetzt ihre computergenerierte bit-map Formation in handgefertigte, subtile Zeichnungen. Ein Knoten, ein menschliches Herz, ein Gehirn, eine Seifenblase — das Ensemble der Bilder scheint einem System zu folgen, scheint zusammenzugehören, ohne dass dies logisch erklärbar wäre. Erst bei genauer Betrachtung sind die einzelnen Bleistiftkreise, die der bit-map Gestaltung folgen, zu erkennen und erst in der Distanz zeigt sich das Motiv als solches. Tremblay untersucht die Veränderung von Bildern bei ihrer Umsetzung in verschiedenen Medien.

Lex Vögtli (*1971) integriert in ihren gemalten und neuerdings auch aus Salzteig handgeformten Werken unterschiedlichste Bildquellen und kulturelle Motive, die sowohl dem visuellen, dem erzählerischen als auch dem psychologischen) Bereich entspringen können. Ihre Sampling-Methode bricht mit Festschreibungen und Zuweisungen, beispielsweise können Landschafts- und Genremalerei miteinander verwoben, oder verschiedenste Malstile und epochale Charakteristika vermengt werden. Das Bild Skyline erinnert sowohl an eine abgebrannte Ruinenlandschaft, als auch an ein Stillleben mit Bettdecken. Die Lichtstimmung schwankt zwischen Morgen und Abend, die Ruinen können wiederum als Löcher des Bildes selbst interpretiert werden. In Reifeprüfung setzt die Künstlerin verstärkt symbolische Motive ein: Eine herabhängende Spindel, die aus der Märchenwelt und der Volkskultur bekannt ist, verweist auf eine schöpferische Energie, auf Dornröschens — stellvertretend für die weibliche Rollenzuschreibung — Warteposition und ihr (von Männern verordnetes) Eingeschlossensein im Turm. Die Laubsägearbeiten im Rohrschachtest-Stil verweisen wiederum auf männliche Domänen und unbewusste Botschaften. Die Salzteig-Werke lassen das motivisch Niedliche, Puppenhaus- und Volkskunstartige in Kontrast treten mit den Inhalten, ‹KZ für Schneemänner› beispielsweise, oder mit dem archaischen Formenvokabular von ‹Rorschach›.

Wenger Peter G 2007 1
Peter Wenger, Kaimondake, 2007, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2007, Foto: Kunsthaus Baselland

Anlässlich seiner Reise nach Japan beschäftigte sich der Künstler Peter Wenger (*1955) eingehend mit der Sprache und kulturellen Atmosphäre des Landes. Seine Fotoserie sansui versteht sich als verbildlichte Vokabel für ‹Landschaft›, welche die Komplexität der sprachlichen Bedeutung integriert. Die Silben «san» im Deutschen stehen für «Berg» und «sui» für «Wasser». Die beiden Motivelemente ‹Berg› und ‹Wasser›, die Wenger auf einer Schifffahrt um den Berg Kaimondake fotografierte, ergeben zusammen ein Sinnbild für ‹Landschaft›, das jedoch viel mehr beinhaltet als die blosse Darstellung des Bezeichneten, impliziert die dunstige, von hoher Luftfeuchtigkeitsgehalt gekennzeichnete Atmosphäre auch eine Verbindung zur kalligraphischen Tradition, die das Wässerige und Vertuschende als Stilmerkmal aufnimmt. Das Verschwimmen des Sichtbaren kann auch als Verweis auf etwas Verborgenes gelesen werden; möglicherweise auf den letztlich dem westlichen Kulturkreis verborgen bleibenden Zugang zum innersten Wesen der japanischen Kultur.