Karin Hueber

Traceur/Traceuse

4 Solos for Kunsthaus Baselland

24.1. —
23.3.2014

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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly
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Karin Hueber, Traceur/Traceuse, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2014, Foto: Gina Folly

Für ihre erste grössere institutionelle Einzelausstellung im Kunsthaus Baselland hat Karin Hueber explizit mit der Architektur des Erdgeschosses des Kunsthauses gearbeitet und daraus Skulpturen entwickelt, die dem Thema der schnellen Bewegung Rechnung tragen.

Karin Hueber thematisierte mit ihrer Arbeit für das Kunsthaus die grundlegende Frage, wie Künstlerinnen und Künstler mit dem jeweiligen (Ausstellungs-)Raum umgehen, wie sie Grenzen ausloten, teilweise auch körperlichen Herausforderungen gewachsen sind und sich — mit jeder Ausstellung und jedem künstlerischen Eingriff — den Raum mit all seinen offensichtlichen und unbemerkten Qualitäten zu eigen machen. Aus einer ersten Analyse des Raumes, den die Künstlerin einerseits künstlerisch und andererseits zusammen mit Athleten erarbeitet hat, konzipierte sie ihre Installationen, Skulpturen und Wandspuren.

Die grossen Holzskulpturen Obstacles in der Ausstellung, welche Karin Hueber teilweise mit sanften Farbtönen bemalt oder aber mit Quarzsand versehen hat, treten in den Räumen des Kunsthauses wie Stellvertreter für menschliche Bewegungen und Gesten auf: Sie lehnen sanft an Wänden, schmiegen oder lehnen sich an Pfeiler oder erheben sich selbstbewusst vom Boden. Mit blauen Spanngurten befestigt die Künstlerin die grossformatigen rampenartigen Objekte am jeweiligen Ort. Eben hier, an dieser gefundenen Stelle im Raum, kommen die Skulpturen zum Stehen oder Liegen und reihen sich ein in den Raumparcours. Ihre Formen, die aus freien Zeichnungen der Künstlerin resultieren, erinnern zugleich an vergangene oder auch mögliche Sprünge im Raum.

Ergänzt werden die Holzskulpturen durch hängende Skulpturen aus Metall, dicke Seile mit Schrumpfschläuchen, blaue Befestigungsvorrichtungen und blaue Zugentlastungen, die Hueber an den Eisenträgern unterhalb des Oberlichts des Kunsthauses anbringt. Mit diesen leitet sie — zusammen mit den blauen Spanngurten — formal zu den einzelnen Arbeiten über. In ihrer treppenartigen Positionierung und ihrem Erscheinungsbild erinnern die hängenden Skulpturen einerseits stark an Vorrichtungen für Sprünge und Bewegungen im Raum, andererseits entsprechen sie Raumzeichnungen und Linien, die sich langsam verjüngen und an einem Ende fein auslaufen. Sowohl für die Holzskulpturen als auch für die hängenden Metallskulpturen ist von zentraler Bedeutung, dass sie dem Interesse der Künstlerin für unterschiedliche Materialien entsprechen und sich einer eindeutigen Lesbarkeit und Zuordnung entziehen. So wird den minimalen, fast streng erscheinenden Skulpturen durch die Fokussierung auf technische Details — wie Spanngurte, ihre Auflagerung auf Schaumstoffbahnen, ihre sanfte Farbgebung, ihre Bearbeitung mit Quarzsand, die ovalen Öffnungen an beiden Seiten, passend für einen Handgriff — eben diese Strenge wieder entzogen.

Mit den so gesetzten Skulpturen und skulpturalen Interventionen formuliert und betont Hueber die spezielle Architektur im Erdgeschoss des Kunsthauses — ob Boden, Wand, Decke, Zwischenraum. Hier ist kein Raum in sich geschlossen, auch gibt es kaum rechte Raumwinkel, gleichwohl erinnern die Räume nicht an einen klassischen White Cube. Das Erdgeschoss ist ein Durchgangsort, ein Ort der Bewegung. Die Besucher wandern bei fast jeder Ausstellung mehrere Male durch die Erdgeschossräume, um sich von hier aus — ähnlich wie in einer Art Verteiler — die angrenzenden Räume zu erschliessen. Diese Form der Bewegung im Raum, den die Besucher vollziehen, wird für die Künstlerin im sogenannten Parcourslauf auf extreme Weise aufgegriffen und sie bezieht diese Idee aktiv in ihr Werk für das Kunsthaus mit ein.

So ist Ausgangspunkt für ihre hiesige Arbeit eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem bis zur Sportform ausreizbaren Parcours. Zentral für diese Form des Sports ist die Frage, wie man sich des gegebenen, vorgefundenen Raumes bemächtigen kann, welche Herausforderungen, Möglichkeiten und zugleich Grenzen er für die eigene Bewegung im Raum aufweist. Die Wahl der perfekten Winkel für Sprünge, ihre Sprungkraft sowie verschiedene Sprungbezeichnungen waren entscheidend für die Konzeption des vorgängig überlegten Parcours. Ein Traceur respektive eine Tracteuse — so der Titel des Werkes — leiht sich etwas aus, bedient sich des urbanen Umfeldes, bewegt sich kreativ und bezieht sich auf vorherige Abläufe. Hier wird er, wird sie vergleichbar mit dem Künstler und seinen Handlungen. Auch dieser bedient sich oftmals des Raumes, um Eigenes, Neues zu schaffen. Auch für den Traceur steht das richtige Handeln im richtigen Moment im Vordergrund, das Sichbewegen im Zwischenraum, an Orten, die sich der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehen.

Karin Hueber hat mit ihren Skulpturen und Installationen eine Art Bühne für einen Auftritt professioneller Parcoursläufer errichtet, den es tatsächlich gegeben hat, der für das Publikum aber nicht ersichtlich wird, da er während der Werkentwicklung im Kunsthaus stattfand. Die Aktion ist nicht zentraler Teil der Arbeit. Im Vordergrund stehen vielmehr die bereits erwähnte Erarbeitung des Ablaufs mit dem Traceur-Team, der Einfluss der Sprungkraft Huebers auf die Platzierung und Erscheinung der Werke und — dies vor allem — die Spuren, die der tatsächliche Lauf durch und über die Werke hinterlassen haben. Daher spricht Karin Hueber auch von «aktivierten Skulpturen», die sowohl tatsächliche als auch mögliche Bewegungen der Traceure in sich speichern. Demgegenüber stehen «nicht aktivierte Skulpturen», die zukünftig an anderen Orten installiert und in den Prozess der Aktivierung eingeschlossen werden könnten.
Text von Ines Goldbach

Die Ausstellung wurde grosszügig unterstützt durch die Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung, Stiftung Roldenfund und national suisse.

Parallel zur Einzelausstellung von Karin Hueber sind im Rahmen der 4 Solos die Einzelausstellungen von Boris Rebetez, David Keating und Felix Schramm zu sehen.

Kurator*in: Ines Goldbach