Michel Blazy

13.4.  —
16.6.2002

Instant Mashed Potatoid

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Michel Blazy, Champs de pommes de terre (Detail), 2002, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2002
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Michel Blazy, Champs de pommes de terre, 2002, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2002
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Michel Blazy, Cotonyop, 2002, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2002
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Michel Blazy, Sculptcure, 2002, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2002
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Michel Blazy, Buisson-lentilles, 2002, Ausstellungsansicht Kunsthaus Baselland 2002

Den gemeinsamen Ausgangspunkt all seiner Arbeiten hat Michel Blazy einst mit «Tout simple, le super-marché» umschrieben. Tatsächlich stammt die Mehrzahl der von ihm verwendeten Materialien aus Bau-, Agrikultur- oder Supermärkten. Die für die Ausstellung zusammengestellte Materialienliste liest sich wie jene einer Koch- bzw. Handwerkerinstallationsanleitung: Reismehl, Kartoffelflocken, Lebensmittelfarbe, Baumwolle, Bewässerungsschläuche, Bewässerungsprogrammierer, Nylonfäden und Kochutensilien — um einige zu nennen.

Blazys Ausstellungsbeitrag im Kunsthaus steht unter dem Titel Instant Mashed Potatoïd, welcher sowohl auf die Fast-Food-Küche und deren Herstellung von Kartoffelpüree anspielt, als auch auf die französische Bezeichnung «Patatoïd», welche undefinierbare Formen umschreibt. «Instant» als zeitliche Komponente für etwas schnell und augenblicklich Eintretendes ist mit der Materialbeschreibung «Mashed Potatoïd», also Kartoffelpüree, gekoppelt. Dieser Hinweis erklärt, was vordergründig in der Ausstellung geschieht: Von der Decke tropft in regelmässigen Zeitabständen Wasser auf Felder bestehend aus Kartoffelflocken. Den Champs de pommes de terre sind Lebensmittelfarben untergemischt, weshalb die Wasserstellen mit der Zeit verschiedene Färbungen und durch die Kapillarwirkung der Kartoffelflocken verschiedene ornamentale Formen bilden.

Ein weiterer Ort, an dem die Kapillarwirkung zur Anwendung kommt, sind die Zeichnungen des Künstlers. Austauschprozesse zwischen dem Kern eines Filzstiftes und einem Blatt Papier, gekoppelt mit Wasser, definieren über einen längeren Zeitraum die verschiedenen Stadien. Die Zeichnungen repräsentieren verdichtete Orte für Prozesse.

Eine dritte Kapillarstation errichtet der Künstler im Kunsthaus auf der Galerie und lädt den Rezipienten ein, sich ein Glas Orangensaft zu pressen und diesen zu konsumieren. Der ‹Feuchtigkeit aufnehmende› Konsument ist angehalten, die halbierten Orangen, wie vorgegeben, übereinander gestapelt ihren weiteren natürlichen Aktivitäten zu überlassen. Des Künstlers Interesse gilt den täglich fortschreitenden Prozessen der organischen Gebilde. Nicht nur gestalten die dabei auftretenden Vorgänge die Formen, Strukturen, Oberflächen und Volumen der Skulpturen oder Wandmalereien, sie gewähren auch Einblicke in die Abläufe mikrokosmischer Welten. Die auftretende Geruchsentwicklung ist ebenso genuiner Bestandteil der Prozesse.

Während organische Gerüche, wie jene in Blazys Installationen auf dem Land als ‹gesunde Landluft› interpretiert werden, ist ihre Wahrnehmung in einem Ausstellungshaus wesentlich gewagter. Der geübte Ausstellungsbesucher ist gewohnt, saubere und ‹schöne› Ausstellungen vorzufinden, eine Geruchskomponente mutet ungewohnt an. Interessanterweise rufen Gerüche im Ausstellungsbetrieb mitunter Angstgefühle hervor und nicht selten taucht die Frage auf, ob denn die Pilzentwicklungen gesundheitsschädlich seien. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass Schimmelpilze Ausgangspunkt für die Penicillinentwicklung sind und diverse Pilzarten auch Eingang in Käsesorten finden.

Die ästhetischen und dekorativen Züge der Installationen stehen im Gegensatz zu ihren Geruchsentwicklungen; eine Tatsache, welche Blazys Arbeiten eindeutig mitthematisieren. Hinzu kommt der ‹Pflegeaspekt› in den Installationen des Künstlers: Der Ursprung für die Bezeichnung Kurator entspringt dem lateinische Wort «curare» (pflegen) und nur selten tritt diese Tätigkeit auf die kuratorische Arbeit derart wörtlichen zu, denn das Wachstum der Installationen will gepflegt, gegossen und betreut werden.
Text von Sabine Schaschl

Kurator*in: Sabine Schaschl